Ein transkultureller Vergleich zwischen Nishida Kitarō und Jean-Paul Sartre

Y – Z Atop Denk 2024, 4(4), 2.

Vincent Grob

Originalarbeit

Abstract: Die Frage nach dem Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt in der Konstitution der (Selbst-)Wahrnehmung beschäftigt die philosophische Forschung seit ihren Anfängen, ohne dadurch je an Aktualität einzubüßen. Die Antworten, die auf diese Frage gegeben werden, beeinflussen unser Verständnis von uns selbst und unserem Platz in der Welt als Individuen und Gemeinschaft und bilden das theoretische Fundament unserer Zielsetzungen und Handlungen. Die verschiedenen Ausprägungen der grundlegendsten Begriffe unserer Erfahrung, des Seins und des Nichts, sind daher von besonderem Interesse kulturübergreifender Forschungsarbeit, da sie die Logik diktieren, nach der sich der Möglichkeitshorizont des Erfahrbaren bemisst und eine umfassende Kritik dieser Logik nicht allein aus sich selbst generiert werden kann. Die vorliegende Arbeit befasst sich daher mit einem Schnittpunkt der philosophischen Begriffsgeschichte des Nichts, in der westlich-existenzialistische Gedanken wie östlich-buddhistische Glaubenssätze zum Verhältnis vom Nichts zum Sein nahezu zeitgleich eine phänomenologische Aufarbeitung erfahren haben. Hierzu wurden das Hauptwerk Jean-Paul Sartres Das Sein und das Nichts (1943) sowie mehrere Aufsätze Nishida Kitarōs (Ort (1926), Ich und Du (1932), Ortlogik und religiöse Weltanschauung (1945)) kritisch-vergleichend beleuchtet, um Konsequenzen und Inkonsistenzen für das (Inter-)Subjektivitäts-Verhältnis herauszustellen und entsprechend einem einheitlich-kohärenten Verständnis des Nichts anzupassen.

Keywords: Selbstbewusstsein Ortlogik, Identitätslogik, Absolutes Nichts, Intersubjektivität

Copyright: Vincent Grob | Lizenz: CC BY-NC-ND 4.0

Veröffentlicht: 30.04.2024

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1. Einleitung –– Reden über Nichts

Das Nichts nimmt eine wahrlich kuriose Rolle in der Philosophiegeschichte ein. Es ist der Gegenbegriff zum Sein und somit das, was sich prinzipiell jeder Bestimmung entzieht. Allein aus diesem Grunde scheint es schwierig, überhaupt eine affirmative Aussage über das Nichts formulieren zu wollen, obgleich es für das volle Verständnis von Sein notwendig ist. So finden sich Äußerungen über das Nichts schon in den antiken Ontologien Platons und Aristoteles' in Begrifflichkeiten, die bereits auf die Vorsokratiker zurückgehen (vgl. Flasch 1972, „Ding“). Seitdem wurde das Nichts oft in mystischen Auslegungen von Gott und Natur im Sinne der creatio ex nihilo oder der Sünde begründet (vgl. Kobusch 1984, „Nichts, Nichtseiendes“). Der Begriff des Nichts ist aber zu vielseitig und facettenreich behandelt worden, um an dieser Stelle einen anschaulichen Abriss der Begriffsgeschichte zu leisten. Was thematisch all diese Bestimmungen durchzieht, ist jedoch die konstitutive Kraft der Negation für das Sein, wie sie in Spinozas omnis determinatio est negatio festgehalten wurde und sich in der Neuzeit wiederfindet, in der sie durch prominente Figuren wie Hegel aus der relativen Mystik in den Bereich der philosophischen Phänomenologie gehoben wurde (vgl. Fulda 1984, „Negation der Negation“). In dem Versuch also, das Nichts zu verorten, zeigte sich das Bewusstsein als das Sein, welches einen besonderen, wenn nicht den einzigen, Zugang dazu unterhält, indem es die Kraft der Negation von Sein für sich vereinnahmt. Dennoch ist es nicht unproblematisch, aus der Negation das Sein eines Nichts abzuleiten und umgekehrt die Negation nicht auf einem ursprünglichen Zugang zum Nichts zu denken. Paradigmatisch für dieses Problem in der Neuzeit ist wohl die Debatte zwischen Martin Heidegger und Rudolf Carnap, ausgehend von Heideggers Fragestellung: „Warum ist überhaupt Seiendes und nicht vielmehr Nichts?“ (Heidegger 2007, S. 45). Heidegger stellte darin fest, dass die Metaphysik, um das endliche, verhüllte Sein des Seienden zu erklären, sich notwendig damit konfrontiert sieht, das transzendente Nichts zu thematisieren, welches dieses enthüllt und in jeder Aussage über das Sein mitschwingt (vgl. Heidegger 2007, S. 43). Carnap hielt dagegen, dass die Aussagen Heideggers über das Nichts schon fehlerhaft seien, da auf rein logischem Grund keine Aussage möglich sei, die das Nichts zu ihrem Nomen macht (vgl. Warghorn 2017, S. 32). Der Konflikt scheint hier in der Frage zu liegen, ob, selbst wenn die Erfahrung des Nichts zugestanden würde, daraus irgendeine Aussage folgen könnte, die in der Lage wäre, das Nichts zu verorten, ohne es zu einem paradoxen Sein zu erheben (vgl. Warghorn 2017, S. 35). Selbst wenn man das Nichts dem logischen Denken zugrunde legen würde – welchen Sinn hätte es, zu versuchen, dieses zu beschreiben, wenn man sich dabei notwendigerweise in einen Widerspruch begibt?

Von Interesse für die vorliegende Arbeit ist daher die Frage, inwiefern das Nichts das Sein des Bewusstseins bedingt oder ausmacht und somit notwendig auch, welche Auffassung von Logik einem Verständnis von Nichts unterliegen und wie dieses Nichts daher beschaffen sein muss, um überhaupt sinnvoll darüber reden zu können. Für diese Aufgabe wird nun nicht Heidegger selbst in den Vordergrund gestellt. Es soll hingegen ein Vergleich zweier Positionen angeführt werden, die sich durchaus kritisch an Heideggers Konzeption des Nichts orientieren und diese modifizieren, namentlich die Jean-Paul Sartres und Nishida Kitarōs. Der Grund dieser Auswahl liegt darin, dass beide Philosophen gleichsam die konstitutive Rolle des Nichts durch eine phänomenologisch-ontologische Methode bejahen, dieses allerdings an diametral entgegengesetzten Punkten, dem Sein vor- oder nachrangig, verorten. Umso interessanter ist, dass, auch wenn ihre Ausgangspunkte gedanklich wie regional kaum weiter auseinanderliegen könnten, sie ihre Positionen größtenteils in Abarbeitung an denselben Vordenkern entwickeln, worin deren unterschiedliche Auffassung der Problematik des Nichts zur Schau gestellt wird. Das gemeinsame Korpus aus Schriften von Hegel, Husserl und Heidegger steht hierbei im Vordergrund, auch wenn diese bei Weitem nicht die einzigen Einflüsse ausmachen.1

So zeigt sich in Sartres Position die starke Abgrenzung vom deutschen Idealismus, ohne dabei dem Realismus anheimfallen zu wollen, den er in der damaligen Psychoanalyse sah (vgl. Sartre 2020, S. 128 f.). Nishida hingegen ist es in einem Großteil seines Werkes daran gelegen, die mystischen Erklärungen der Konzeption des Nichts aus der religiösen Tradition des Mahayana- und Zen-Buddhismus philosophisch aufzuarbeiten und logisch zu begründen. In Adoption der westlich-philosophischen Methoden legt er sein Denken dabei ebenfalls als idealistisch aus. Sein Ausgangspunkt von buddhistischen Doktrinen wie die Erfahrung des no-mind, welche die egologische Dimension des Subjekts unterlaufen, verändert jedoch den Kontext, in dem dieser Idealismus begriffen wird (vgl. Davis 2019, S. 44). So enthüllt sich bei beiden eine Erfahrung des Nichts, die noch kein Moment der Bestimmung in sich trägt, aber fest im Bewusstsein verankert wird. Hierin begründen sie ihre Logik und ihr Ideal, stammend aus ihrer jeweiligen philosophischen Tradition. Wie darin nun die Begriffe des Seins und des Nichts jeweils zu verstehen sind und ob es sich hierbei um ausschlaggebende ontologische oder bloß semantische Unterschiede handelt, soll in einer genaueren Analyse dieses Substrats und der zugrundeliegenden Logik erörtert werden. Da es hierbei nicht bei einer reinen Begriffsanalyse bleiben soll, werden diese Auffassungen jeweils kritisch beleuchtet und ausführlich die Konsequenzen der Konzeptionen des Nichts für die Möglichkeiten von Selbst- und Fremderfassung des Bewusstseins expliziert. Dazu wird zum einen Sartres Hauptwerk Das Sein und das Nichts (1943) befragt und zum anderen eine Sammlung an Aufsätzen Nishidas, in denen er die phänomenologischen Befunde aus Über das Gute (Zen no kenkyū, 1911) metaphysisch-ontologisch in seiner Ortlogik fundiert und auf inter-subjektiver Ebene ausführt. Besonders wird auf die Aufsätze Ort wie auch Ich und Du dabei eingegangen. Zuletzt soll erörtert werden, ob diese Unterschiede die Positionen völlig voneinander exkludieren oder der Versuch einer Integration beider Modelle fruchtbar gemacht werden kann.

 

2. Ort und Konzeption des Nichts im Bezug zum Sein

Da das Nichts selbst nicht phänomenal zu greifen ist, muss eine Phänomenologie, die sich die Beschreibung des Nichts zum Ziel setzt, damit beginnen, seine Befunde aus dem Sein abzuleiten. Es steht also zunächst aus, zu analysieren, wie in beiden Entwürfen das Sein durch seine Weise, wie es sich dem Bewusstsein darstellt, beschaffen sein müsste. Das erste Wissen von diesem Sein ist, wie sich zeigen wird, dass es erscheint. In beiden Systemen wird so zuerst eine Logik entwickelt oder unterstellt, nach der sich das Sein dem Bewusstsein darstellt. Dabei ist es unmöglich, nicht auch schon einige Schlüsse über das Sein des Bewusstseins zu ziehen, diese werden jedoch an späterer Stelle ausgeführt. Beiden Auffassungen wird eine kurze kritische Auseinandersetzung angehängt, um zu prüfen, ob darauf eine gesicherte Inter-Subjektivitätstheorie bestehen kann.

 

2.1. Das Sein-an-sich, Identitätslogik

Sartres Philosophie versteht sich in der Tradition neuzeitlicher westlicher Phänomenologie und Ontologie, wie sie durch Hegel und Husserl begründet und weitergeführt und, ihm kontemporär, durch Heidegger aufgegriffen wurde (vgl. Hartmann 1963, S. 2). Sie erhebt dabei allerdings durchaus den Anspruch, sich von der ihrer Vordenker abzugrenzen und Konzepte wie das intentionale cogito Husserls, die Dialektik Hegels und das Man Heideggers zu widerlegen oder zu überschreiten, um eine gänzlich neue Inter-Subjektivitätstheorie zu etablieren.

So setzt Sartre das Phänomen von ‚Sein‘, wie es einem Bewusstsein in einer unmittelbaren Zugänglichkeit erscheint, an den Ausgangspunkt jeder Erfahrung (vgl. Sartre 2020, S. 14). Dieses befindet sich innerhalb des Bewusstseins selbst als dessen Inhalt, verweist allerdings auf ein Sein dieses Phänomens, aufgrund dessen das Phänomen zum Bewusstsein kommen kann (vgl. ebd.). Das Phänomen verdecke damit nicht sein Sein, erschöpfe sich aber auch nicht in diesem und ginge damit über die Sphäre der Erkenntnis hinaus (vgl. Sartre 2020, S. 17). Es biete sich dem Bewusstsein daher nur implizit dar, als externes Sein, welches nicht intentional, sondern bloß intuitiv als ontologischer Bezugspunkt gegeben sei (vgl. Sartre 2020, S. 14 f.). Dieses Sein betitelt er im Folgenden mit dem „Sein […] an sich“ oder dem „An-sich-sein“ (Sartre 2020, S. 42, 44). Es birgt keine Bezüglichkeit in sich, wird derart erst durch den veräußerten Bezug des Bewusstseins auf das Sein hin realisiert und geht somit in einer vollständigen Identität mit sich vor jeder Erfahrung auf, da es in sich über keinerlei Abstand zu sich verfügt, sich also weder als ein Innen noch Außen habend konstituiert und bloß sein Sein ist (vgl. Sartre 2020, S. 41). Der Betrachtungsweise einer solch vollkommenen Identität nach sei es nicht einmal möglich, noch von einem ‚sich‘ zu sprechen, da dies im Sprachgebrauch bereits eine reflexive Bewegung ausdrücke, die sowohl einen Unterschied der reflexiven Glieder impliziere als auch in dieser Selbstbestimmung eine apriorische Trennung zwischen seinem und einem anderen Sein beinhalte (vgl. ebd.). Sartre bestimmt das Sein des An-sich damit als eine durchweg positive, dem Bewusstsein opake Seinsfülle, die nicht einen Hauch von Nichts in sich trägt, deren Wesen und Potenz erst aus der Überschreitung seiner Erscheinungen als Reihe zum Sein gebracht wird als immer schon modifiziertes Phänomen dieses Seins (vgl. Sartre 2020, S. 42).

Als Begründung für die Annahme dieses transphänomenal implizierten Seins führt Sartre einen ontologischen Beweis an, der sich auf die Auslegung des intentionalen „Bewusstseins von etwas“ (Sartre 2020, S. 33) bei Husserl stützt, diese aber um die Ebene eines nicht-gegenständlich-thetischen Bewusstseinsmodus (von) sich, das präreflexive cogito, erweitert (vgl. Sartre 2020, S. 33 f.). Die Erkenntnis in der Bewegung des cogito erfordert ein Sein des Bezugs des cogito selbst, des Erkennenden, sowie ein Sein, auf das es sich bezieht, dass des Erkannten (vgl. ebd.). Da zudem mit dem Bewusstsein von etwas die transzendierende Intentionalität als konstituierende Tätigkeit desselben ausgewiesen wird, kann es sich hierbei nicht um etwas Substanzielles handeln, das eine inhaltliche Bestimmung in sich trage (vgl. Sartre 2020, S. 36). Soweit stimmt Sartre mit Husserl überein, sobald letzterer allerdings die Hyle als „Stoff der passiven Synthesen“ (Sartre 2020, S. 31) in die Noesis des Erkenntnisaktes einführt, und somit das Bewusstsein dem Gegenstand passiv und von diesem abhängig bestimmt, trennen sich ihre Auffassungen. Mit der Einführung des präreflexiven cogito will Sartre das Primat der Erkenntnis widerlegen, dass die Immanenz des Bewusstseins als grundlegende Realität ausweise (vgl. Sartre 2020, S. 19). Das Sein des cogito ist ja nichts anderes als der Bezug und könne so nicht das Sein des Erkannten in sich enthalten, würde es nicht sonst selbst zum Ding und fiele wörtlich und figurativ mit sich selbst zusammen (vgl. Sartre 2020, S. 19). Und würde andererseits das Sein des Erkannten auf die Erkenntnis reduziert, ließe sich nicht erklären, wie das Subjekt sich gegenüber einem opaken Objekt als dessen Transzendenz bestimmen könnte (vgl. Sartre 2020, S. 30 f.). Daraus schließt Sartre:

„Der erste Schritt einer Philosophie muß also darin bestehen, die Dinge aus dem Bewusstsein zu verbannen und dessen wahres Verhältnis zur Welt wieder herzustellen, daß nämlich das Bewusstsein setzendes Bewusstsein von der Welt ist. Jedes Bewusstsein ist setzend, insofern es sich transzendiert, um ein Objekt zu erreichen, und es erschöpft sich in eben dieser Setzung.“ (Sartre 2020, S. 19).

Die Bezüglichkeit des präreflexiven cogito kann demnach nicht reiner Selbstbezug sein, sondern setzt bereits ein äußerliches Sein voraus, das es nicht ist und sich ihm in offenbarender Intuition erschließt (vgl. Sartre 2020, S. 36). Die Erkenntnis eines Objekts ist jedoch nur möglich auf der Grundlage, Bewusstseinsgegenstand sein zu können, unterliegt also einem intuitiven Verständnis „von sich als diese Erkenntnis seiend“ (Sartre 2020, S. 20). Es ist also nicht-gegenständliches Verständnis von sich als transzendentes Erkennendes und gegenständlich-setzendes Wissen eines Objekts. Daher wird auch das ‚von‘ im Rückbezug auf sich im präreflexiven cogito syntaktisch eingeklammert (vgl. Sartre 2020, S. 23) Er teilt somit die Funktion des Bewusstseins in intuitive Erfassung und intentionale Erkenntnis, geeint in der Struktur des präreflexiven cogito. Auch der reflektierte Bezug zu sich muss daher diese Form annehmen und in der objektiven Setzung von sich noch ein „unmittelbarer nicht kognitiver Bezug von sich zu sich sein“ (Sartre 2020, S. 21). Damit wird Sein nicht geschaffen, sondern als Existenz realisiert, indem es intuitiv sich und intentional das An-sich negiert. Dem An-sich wird ‚nichts‘ hinzugefügt, aber eben dieses Nichts des Bezugs auf das Sein macht, dass es Sein für das Bewusstsein gibt, weshalb er es im Folgenden auch als das Für-sich betitelt (vgl. Sartre 2020, S. 20). Daraus leitet Sartre unter der Rubrik des Seins zwei voneinander unabhängige, „radikal getrennte Seinsregionen“ (Sartre 2020, S. 39) ab. Schließlich kann sich das Bewusstsein nur aufgrund des An-sich erscheinen, da letzteres aber nur bloße Identität mit (sich), jenseits von Aktiv und Passiv, ist, besteht das Sein des Bewusstseins nur durch seine eigene Bestimmung, das Sein seines Bezugs nicht zu sein, in der Form der Spiegelung seines Seins (vgl. Sartre 2020, S. 36, 41). Damit bleibt auch die Identität „kontingentes […] regional synthetisches Prinzip des Seins“ (Sartre 2020, S. 42 f.) des An-sich, während das Bewusstsein seine Identität non-identitär zu sein hat (vgl. ebd.). Das cogito wird somit zu einem „nicht-substantielle[n] Absolute[n]“ (Sartre 2020, S. 27), das „in dem Maße existiert, wie es erscheint“ (ebd.) und das so das Absolute der Existenz gegenüber dem Absoluten an Sein ausmacht. Das Nichts als Akt des Bezugs, welches nur aufgrund des Seins bestehen kann und in seinem Vollzug die Existenz von Sein realisiert, könne daher nur „innerhalb des Seins selbst“ (Sartre 2020, S. 79) gegeben sein und verhalte sich daher „wie ein Wurm“ (ebd.), der seinen identitären Grund kontinuierlich aufbricht und hinter sich wieder verschließt.

 

2.2. Kritik am präreflexiven cogito

Diese Auffassungen stellen die Grundlage der Seinsweisen des Bewusstseins als Sein des Für-sich dar. Aus ihnen soll sich die Möglichkeit der Nichtung von Sein sowie die logische Nachfolge vom Nichts zum Sein erklären. Es zeigen sich aber bereits an dieser Stelle manche Problematiken in den Begrifflichkeiten der beiden Glieder des An-sich und des präreflexiven cogito. So kritisiert Reinhard Dahlhaus die Uneinsichtigkeit der Folge des indirekten, allgemein-gegenständlichen Wissens um sich aus dem konkreten, unsprachlichen Verstehen (von) sich (vgl. Dahlhaus 1986, S. 32). Da Sartre seine Philosophie im Ausgang vom cogito behandelt, sei nicht einsichtig, warum es sich beim Erfassen des Selbst nicht um ein Wissen handeln könne, das einen Gegenstand hat. Er sieht dies aufgrund einer Tendenz Sartres, intentional Gegenständliches als Verdinglichtes aufzufassen, wodurch das Bewusstsein gehindert wird, sich als „Gegenstand-Werden“ (Dahlhaus 1986, S. 33) zu erfassen und so die Folge der Intention aus der Intuition und der Reflexion aus dem präreflexiven cogito äußerst undeutlich wird. Diese Inkongruenz behauptet Dahlhaus darin, dass die „faktische Notwendigkeit der Subjektivität“ (Dahlhaus 1986, S. 31) in der regressiven Analyse keineswegs apodiktisch gewiss sei, schließlich zeige sich im Phänomen eine Wechselwirkung der „notwendige[n] Implikate des Selbstvollzugs“ (ebd.), was nicht durch sich selbst auf eine primäre Trennung verweise. Da das Nichts nur durch das Bewusstsein in die Welt getragen und keine Vermittlung zwischen das Sein und das Denken gesetzt wird, wird Sartre im Weiteren eine Substantivierung des Nichts und darin ein Verfall in einen transzendentalen Realismus vorgeworfen, welcher den Menschen in einer arbiträren und idealen Welt zurücklässt (vgl. Schwappach 1970, S. 268 f., 277, 281). Auch Hartmann sieht in der Negation des Seins durch das Subjekt, im Gegensatz zu der hegelschen, eine bloß „unipolare Dialektik“ (Hartmann 1963, S. 77) und nur „formelle Negation“ (Hartmann 1963, S. 92), von der aus die Möglichkeit der Konstruktion der Bedeutung vom Anderen und dem Selbst fraglich wird. Damit bliebe Sartre der Klärung der Loslösung beider Seinsweisen voneinander und darin der Bildung des Subjekts aus einem Grunde schuldig, um seine ontologischen Feststellungen theoretisch zu untermauern. Er verweist aber auch darauf, dass die Klärung dieser Frage gar nicht grundsätzlich Ziel von Sartres Entwurf gewesen sei, für welchen nur die phänomenal erreichbare Struktur des An-sich zum Ausgangspunkt einer Ontologie werden könne (vgl. Hartmann 1962, S. 127).

Da Sartre auf diesem Fundament allerdings die Seinsweise des Bewusstseins ontologisch ausführt und auch seine Intersubjektivitätstheorie darauf gründet, seine Seinsgrundlage sich aber nicht als gesichert, sondern schlicht angenommen, erweist und die Beziehungsgrundlage von An-sich und Für-sich damit infrage steht, soll zunächst die Konzeption Nishida Kitarōs betrachtet werden, die mit der phänomenalen Intentionalität des cogito nicht gleichzeitig eine präphänomenale Trennung von Subjekt und Objekt meint und sich in einer Logik des Widerspruchs statt der Identität begründet.

 

2.3. Das wahre Nichts, Ortlogik

Nishidas philosophischer Ansatz liegt gedanklich vor der typisch westlichen Auslegung von der Trennung von Materie und Geist, nach der das Sein des Bewusstseins die materielle Welt phänomenal spiegele (vgl. Maraldo 2019, S. 10). So setzt er das Nichts vor dem Sein an, in einer Umwendung dieser dualistischen, epistemischen Formel, in der sich Sein und Nichts wiederum im absoluten, wahren Nichts in gegenseitiger Determination spiegeln. Dieser Ausgangspunkt kann daher weniger als Ontologie und vielmehr als Meontologie, nach dem griechischen Wortstamm für das Nicht-Sein, oder, wohl treffender noch, als Mu-logie bezeichnet werden2, um darin noch die Relation des Nichts zum Sein im Wort aufzulösen (vgl. Davis 2019, S. 18). Nishida behauptet in dieser Disziplin den Ausdruck eines zwar zunächst nicht buddhistischen, jedoch dezidiert östlichen Denkens (vgl. Heisig 2001, S. 62). Die Bedeutung dieses Begriffs des Nichts und die Möglichkeit des Werdens von dem Sein daraus gilt es daher im Folgenden, mit zusätzlichem Augenmerk auf kulturell-spezifische Unterschiede, näher zu erörtern. Das zuvor angeführte existenziale Nichts Heideggers sowie die Grundlage des totalen Seins in Hegels Dialektik teilen viele Attribute des absoluten Nichts und er entwickelt seine Begriffe in der transkulturellen Methode, die den behandelten Aufsätzen unterliegt, auch in Bezug zu diesen3. Der Diskurs bewegt sich demnach im selben Umfeld wie die existenzielle Phänomenologie Sartres und weist starke Parallelen zum präreflexiven cogito auf, wie noch zu zeigen sein wird, hat seine Wurzeln allerdings in einem spezifisch östlichen Ausgangspunkt. Zunächst orientiert sich Nishida gedanklich jedoch an dem antiken griechischen Verständnis des Nichts.

In dem Aufsatz Ort (Basho, 1926) kommt die Logik hinter dem Begriff des absoluten Nichts wohl am besten zur Geltung. Nishida selbst meint, hierin zuerst das Fundament der Erfahrung des Selbstbewusstseins logisch zum Ausdruck gebracht zu haben (vgl. Nishida 1999, S. 42). Im Gegensatz zu Sartre und der erkenntnistheoretischen Tradition, aus der dieser schreibt, sieht Nishida diese Basis nun nicht verhaftet in Bezug auf einen externen, dem Bewusstsein völlig transzendenten, Gegenstand, womit das Verhältnis von Subjekt und Objekt zum apodiktischen Grund jeder Erfahrung würde (vgl. Nishida 1999a, S. 72). Dies wird bereits durch das Wort jikaku evoziert, welches Nishida bereits in seinem Aufsatz Über das Gute (1911) anführt, das zwar als ‚Selbstbewusstsein‘ übersetzt werden kann, wörtlich aber eher ‚Selbstgewahren‘ bezeichnet und so nicht direkt auf ein intentionales Bezugssystem eines gesetzten Selbst hindeutet (vgl. Maraldo 2019, S. 8). Auch wenn Nishida von diesem Ort also als ‚Bewusstseinsfeld‘ spricht, bedeutet dies noch keinen strikt subjektiven Akt, sondern eine Ebene, in der sich Subjekt und Objekt aufgrund gegenseitiger Negation erst konstituieren (vgl. Nishida 1999a, S. 74). Er entwickelt diese Ideen unter anderem in Anlehnung an die Platon'sche chora und das Aristoteles'sche hypokeimenon, um einen absoluten Ort zu beschreiben, aus dem das Sein sowie der Bezug dazu hervorgehen kann (vgl. Nishida 1999a, S. 72, 92; 1999b, S. 9). In Gegensatz zu diesen Konzepten allerdings setzt er das höchste Allgemeine, das alle Begriffe, wie auch das Sein und das Nichts, unter sich vereint, nicht als eine Substanz, sondern als die unmittelbare Tätigkeit seiner konkreten Inhalte (vgl. Nishida 1999a, S. 73). Der Bestimmung nach, dass sich Seiendes „in etwas […] befinden“ (Nishida 1999a, S. 72) muss, um in Bezug zu seinem Gegenstück gebracht und so erst zum Sein kommen zu können, nimmt Nishida einen Ort an, der alles Sein enthalten müsse. Dieser könne selbst wieder kein Sein sein, da er sonst noch im Gegensatz zu seinem Inhalt stünde und die Gesamtheit des Seins nicht umfassen könnte (vgl. Nishida 1999a, S. 83). Er müsse daher vielmehr ein Ort des Nichts sein (vgl. ebd.).

Da aber das Nichts noch im Gegensatz zu dem Sein steht, das es negiert, muss das Nichts des absoluten Ortes, das wahre Nichts, beides umfassen, ohne ein separates Drittes zu bilden (vgl. Nishida 1999a, S. 84). Das bedeutet, es könne selbst nichts Substanzielles sein und nur in der Vermittlung seiner Glieder bestehen. Gleichzeitig liege es aber den Gliedern voraus als Bedingung der Möglichkeit ihrer Beziehung. Diese müsse somit beides transzendieren und dürfe zur gleichen Zeit nicht mehr als ihre Teile ausmachen, was bedeutet, dass sie ihre eigene Negation ist (ebd.). Der ursprüngliche Ausgangspunkt des Bewusstseins sei damit nicht in der Negation von Sein zu suchen, sondern gründe in der Negation der Negation von Sein, dem absoluten Nichts, welches Sein und Nichts in sich umfasse (ebd.). Daher liege am Grunde alles Rationalen etwas Irrationales, welches zwar nicht zum konkreten Bewusstseinsgegenstand erhoben werden könne, was aber für deren Zugang zueinander notwendigerweise angenommen werden müsse (vgl. Nishida 1999a, S. 91) Er nennt diesen Akt, in Abgrenzung zur „Basis des Aktes“ (Nishida 1999a, S. 114) in der Phänomenologie, den „‚Akt des Aktes‘“ (ebd.). Dieser läge damit vor dem Ort der Wahrnehmung in einem Ort der Anschauung4, in dem noch keine gegenständliche Erkenntnis möglich sei. Hierbei scheint allerdings differenziert werden zu müssen, inwiefern die Wahrnehmung noch gänzlich ausstünde. So fügt er hinzu: „Leben wir wirklich im Wahrnehmungsakt, so befinden wir uns im Ort des wahren Nichts und somit überlagern sich Spiegel und Spiegelndes grenzenlos“ (vgl. Nishida 1999a, S. 116). Es scheint also noch zwischen bestimmter und unbestimmter Wahrnehmung unterschieden zu werden.

Selbst das cogito Husserls als Akt der Negation alles Seins, und auch Hegels „absolute[r] Begriff; […] die Negativität dieses insichseienden Ich […] – und seine Zeit“ (Hegel 1988, S. 530) verblieben als in sich widersprüchliche Akte gegenüber dem sich identischen Sein eine „bloße Negation des Seins“ (Nishida 1999a, S. 83) und somit noch ein substanziell bestimmter Ort des Seins (vgl. Nishida 1999a, S. 123). So argumentiert er dagegen, dass „das Nichts, das alles Sein negiert, […] insoweit es ein gegensätzliches Nichts ist, noch eine Art Sein [ist]“ (Nishida 1999a, S. 83). Vielmehr, schreibt Nishida, müsse „es etwas geben, das das Gegenüberstehen von Ich und Nicht-Ich in sich umfasst und die sogenannten Bewusstseinsphänomene in seinem Inneren zustande kommen lässt“ (Nishida 1999a, S. 72). Auf präphänomenaler Bewusstseinsebene müssten Gegenstand der Erkenntnis und das Erkennende also als Eines gedacht werden. Subjekt und Objekt in dieser Art nicht-gegensätzlich zu betrachten, bedeutet auch, die Erkenntnis als vom Subjekt ausgehende, das sich Äußerliche zu seinem Objekt erhebende, Tätigkeit zu verneinen und eine Selbstbestimmung des Ortes in gegenseitiger Negation seiner Inhalte anzunehmen und damit beides als non-identitär zu setzen. Demnach spiegelt nicht bloß das Subjekt seine Objekte in sich, alle Einzeldinge spiegeln sich in sich selbst, sind daher Selbstbewusste (vgl. Nishida 1999a, S. 106).

Die Form des Spiegelns der Welt durch das Bewusstsein wird so noch um den Schritt erweitert, dass materielle Welt und formendes Bewusstsein sich in ihrem gemeinsamen Ort in gegenseitiger Negation spiegeln und darin realisieren (vgl. Nishida 1999a, S. 85). Der Spiegel, in dem sie sich spiegeln, müsse ihnen gegenüber wiederum ein Nichts sein und damit selbst die Negation seiner Identität von Sein und Nichts widersprüchlich in sich enthalten (vgl. Nishida 1999a, S. 88). Auch wenn dieser Spiegel also einerseits widersprüchliches Subjekt und gleichzeitig ganz identisches Objekt sein muss, ist er so in seiner Gesamtheit etwas unendlich Widersprüchliches5, in dem sich Konkretes und Allgemeines überlagern müssen und so imstande sind, eine sinnliche Wirkung zu entfalten (vgl. Nishida 1999a, S. 113). Der Grund alles Seins sei daher etwas Widersprüchliches, was sich in seiner Selbstbestimmung in Gegensätze auflöse. Dies sei nach Nishida allein innerhalb eines tätigen Bewusstseins möglich und Realität damit selbst Bewusstsein (vgl. ebd.). Mit dieser Bestimmung gründet Nishida seine Philosophie des Selbstbewusstseins in einem tief liegenden Intuitionismus (vgl. Nishida 1999a, S. 100, 134). Hierin sieht er die mulogische Basis und den Ort der Tätigkeit des Bewusstseins, durch den das intentionale cogito erst möglich wird. Die Logik, nach der Sein aus dieser entstehen kann, muss demnach ebenso eine widersprüchliche sein. Dies allein erklärt aber noch nicht, wie aus der intuitiven Anschauung intentionale Erkenntnis möglich wird.

Zur Klärung dieser Frage dient Nishida das Prinzip des Urteils von Subjekt6 und Prädikat, nach dem sich Erkenntnis auf begrifflicher Ebene gestaltete (vgl. Nishida 1999a, S. 94). Das konkrete Subjekt fungiert dabei als Ort des allgemeinen Prädikats der Erfahrung, das ihm zugeordnet wird (vgl. Nishida 1999a, S. 96). Das gebildete Subjekt wiederum ließe sich als Prädikat eines höheren Urteils fassen (vgl. Nishida 1999a, S. 101). So geht er in einer Art regressiver Analyse vom empirischen Urteil zu dem Ort zurück, der noch die Form des Urteilens umfasst (vgl. ebd.). Er führt zum Verständnis das Beispiel der Farbe an. So wird in dem Urteil, dass Rot eine Farbe ist, die Farbe zum Ort des Rot (vgl. Nishida 1999a, S. 81). Diese kann jedoch selbst wieder Prädikat des Urteils über einen bestimmten, gefärbten Gegenstand werden und so vom konkretesten Besonderen, über die Orte von Raum und Kraft bis in die höchste abstrakte Einheit aller Prädikate, das hypokeimenon, das Subjekt, das nicht mehr Prädikat werden kann, als deren gemeinsamer Ort fortgeschritten werden (vgl. Nishida 1999a, S. 92, 106). Nishida erweitert dieses Bild nun darum, dass die reine Form, als welche er das hypokeimenon bei Aristoteles versteht, noch etwas Wirkendes und nicht der Grund des Wirkens sein könne, welcher tiefer in einem Ort des Willens läge, in dem viel mehr das Prädikat selbst Subjekt wird, das Allgemeine aufgrund des Besonderen besteht (vgl. Nishida 1999a, S. 120). Würde die Form zum Grunde materiellen Seins, ginge an einem Punkt Letzteres in Ersterem auf und es könne zu „keiner weiteren widersprüchlichen Entwicklung kommen“ (Nishida 1999a, S. 123). Im Willen müsse daher der irrational unendliche Widerspruch der Besonderen erfasst werden, von denen erst Allgemeinbegriffe verbunden werden könnten (vgl. Nishida 1999a, S. 118). Das begriffliche Urteil unterläge damit einer nicht-gegenständlichen Intuition, gefasst als gegenseitiges „Sehen im Ort des Nichts“ (Nishida 1999a, S. 112). Da dieser Ort das Urteil nun enthält, nicht im Sinne des Auflösens, worin das Besondere völlig in der Wesenheit des Allgemeinen aufginge, sondern des Überlagerns, worin die Gegensätze wie zwei Seiten einer Münze fungieren, müsse „der Ort, der auch das Intuitive spiegelt, […] unmittelbar der Ort [sein], der den begrifflichen Widerspruch spiegelt“ (Nishida 1999a, S. 85). Darin begründet sich eine Dialektik, nach der in der Intention notwendig etwas Intuitives und in der Intuition immer auch etwas Intentionales liege, „denn der Wille, der kein Urteil enthält, ist nicht mehr als bloßes Verhalten“ (Nishida 1999a, S. 133) und „[i]nsofern aber das Wissen auch Bewusstsein ist, kann man es auch als eine Art Willen verstehen“ (Nishida 1999a, S. 94). Die Schöpfung von Sein und Nichts aus dem absoluten Nichts vollzieht sich demnach in einer einzigen Bewegung, die in subjektivierender Richtung der Prädikatsebene als Wille und in prädikativer Richtung des Subjekts als Urteil verstanden werden kann (vgl. Nishida 1999a, S. 99). Beide Richtungen lassen sich zu dem Punkt radikalisieren, an dem das Besondere das Allgemeine und das Allgemeine das Besondere umfasst, was Nishida als „konkretes Allgemeines“ (Nishida 1999a, S. 127) betitelt.

Nishida nutzt zur Darstellung dieses Sachverhalts das Beispiel einer Melodie (vgl. Nishida 1999a, S. 113 f.). Die einzelnen Töne zu einer melodischen Reihe zu formen, ist Produkt des Willens, während die Isolation der Töne als Einzelne in der Melodie Wirken des Urteils ist (vgl. ebd.). Konkreter Ton und abstrakte Reihe überlagern sich im Bewusstseinsfeld als widersprüchlich konkretes Allgemeines und entfalten ihre Wirkung. Die Melodie lässt sich dabei vermittels der Urteilskraft selbst wieder als Konkretum innerhalb der Wahrnehmung als im Willen konstituiertes Allgemeines erfassen (vgl. ebd.). Diese Dialektik lässt sich in allen Erfahrungsbereichen nachstellen, von der abstrakten Zahl mehrerer gleicher Gegenstände wie auch aller konkreten Gegenstände in ihrem gemeinsamen physischen Raum, der aber nur durch die Gesamtheit seiner Einzelteile überhaupt besteht. So lässt sich ein dauerhaftes Wirken im Übergang vom bestimmten zum bestimmenden Ort denken, das zu seiner Erfüllung zu gleichen Teilen von seinen materiellen und formalen Konstituenten abhängt (vgl. Nishida 1999a, S. 116).

 

2.4. Kritik am absoluten Nichts

Diese Auffassung ist durchaus nicht frei von Kritik. Elena Lange unterstellt Nishida in ihrer Dissertation Die Überwindung des Subjekts – Nishida Kitarōs (1870-1945) Weg zur Ideologie eine versteckte Substanzialisierung des absoluten Nichts und aufgrund seiner alogischen Herleitung noch einen Rückschritt gegenüber dem System Hegels, an dem es sich sichtlich orientiert. Lange zeigt dies unter anderem in dem an Carnaps Kritik Heideggers erinnernden Argument, dass das absolute Nichts im Sprachgebrauch selber Subjekt eines Urteils werden könne und allein daher seine Stellung als Unbestimmbares verlöre (vgl. Lange 2011, S. 118). Da das „absolute Nichts nur dann nicht zum Urteilssubjekt [wird], wenn es als Substanz gefasst wird“ (Lange 2011, S. 120), da es sonst „stets Subjekt einer möglichen Aussage werden [könnte]“ (ebd.), entginge es selbst nicht dem Dualismus von Subjekt und Objekt. Es sei damit schon entweder immer Materie oder Form (vgl. Lange 2011, S. 115); Der Begriff führe sich also selbst ad absurdum, zudem ein Nichts, welches sich nicht in Relation zum Sein verstehen ließe, bar jeden Sinnes sei, und seine Funktion als Umfassendes damit nichtig. Aus dem unendlichen Urteil Kants ließe sich erklären, dass das Nichts von Sein und Nicht-Sein, um „‚etwas mehr […], als zum Widerspruche erforderlich ist‘“7 (Lange 2011, S. 114) zu sein, ein Drittes ausmachen müsse, ansonsten müsste es sich begrifflich mit dem gegenständlichen Nichts als Gegensatz zu allem Sein decken (vgl. Lange 2011, S. 115). Die regressive Analyse zum Ort des wahren Nichts sei damit logisch nicht nachvollziehbar, das Begriffspaar von Sein und Nichts zudem eine „abstrakte […] Identität“ (Lange 2011, S. 118), welche sich nur durch die Voraussetzung von Form und Materie einteilen ließe, da es sich als unbestimmte nicht selber aussagen könnte und daher „eine logische Leistung des Denkens“ (Lange 2011, S. 119) benötige. Sie stellt den Fehler in dem Ausgang von der Subsumptionsbeziehung als begründende Logik des Seins heraus, indem sie ihn mit Hegels Begriffslogik kontrastiert. Nur durch die gegebene Unterscheidung von Form und Inhalt sei es darin möglich, vom einfachen, subsumptiven Urteil des Daseins, „[d]as Einzelne ist Allgemein“ (Lange 2011, S. 122), zur Reflexion des Inhalts vorzugehen, in der das Urteil selbst zum Inhalt wird und so das Allgemeine als Einzelnes herausgestellt werden kann. So könne erst das Aussagen wiederum ein Ausgesagtes werden und das Subjekt den Platz des Prädikats im Übergang zu höheren Urteilen einnehmen (vgl. ebd.). Die Negation der Form erkläre sich also erst aus ihrem allgemein-prädikativ erfassten Inhalt, welcher noch rein positiv geprägt sei (vgl. Lange 2011, S. 123). In Nishidas System sei der Übergang vom Unbestimmten ins Bestimmte dadurch verunmöglicht, dass auch hier das Denken als verdinglichender, „subjektloser Prozes“ (Lange 2011, S. 124) verstanden wird, der aus dem Subsumptionsurteil alleine nicht zur Selbstbestimmung in der Lage sei.

Was in dieser Kritik zur Geltung kommt, ist die prinzipielle Anfechtbarkeit des Begriffs des absoluten Nichts im Ausgang von der Identitätslogik. Lange fokussiert sich auf den Einheitsgedanken der Unbestimmtheit, wodurch es der bestimmenden Form der Logik gegenüber äußerlich betrachtet wird und sich so nicht nur jeder Herleitung und Begründung entzieht, sondern selbst etwas Substanzielles im Sinne einer Leere wird (vgl. Lange 2011, S. 120). Darin wäre in der Tat kein Fortschritt gegeben und das absolute Nichts leeres Wortspiel. Und tatsächlich kann und muss das absolute Nichts über eine gewisse Substanzialität verfügen, die Substrat des Urteils zu werden vermag und sich so subjektivieren ließe. Es erschöpft sich aber weder in dem irrationalen Substrat noch in der rationalisierten Setzung, diese sind vielmehr Teile des dialektischen Prozesses, in dem das Wirken von Form und Materie begrifflich getrennt gedacht und nicht-begrifflich als Einheit empfunden wird (vgl. Nishida 1999a, S. 85 f.). In der Aussage des höchsten Allgemeinen als absolutes Nichts ist damit seine Überschreitung auf das Ausgesagte bereits mitgegeben. Bloß subjektiviert würde dieses Nichts zum bestimmten identischen Allgemeinbegriff, in der widersprüchlichen Prädikatsebene als tiefere Ebene des Bewusstseins muss aber die Bedeutung schon enthalten sein, würde die Logik sonst ihrer Begründung in der Wirklichkeit beraubt (vgl. Nishida 1999a, S. 132). Die Subsumption wird damit zwar als Logik der Realität herausgestellt, jedoch nicht allein im Urteil.

Der Fehler in der Argumentation Langes und der eigentliche Unterschied zur Philosophie Hegels liegt hier darin, dass der Übergang von Unbestimmtem zu Bestimmtem nicht als prozessual-dialektische Synthese zu begreifen ist, sondern instantan und unmittelbar beides gegeben ist, sodass in der Betrachtung der Seite von Subjekt und Prädikat nach jeweils die Einheit und der Widerspruch im selben Sachverhalt sichtbar sind und auf eine Art selbst die Subsumptionsbeziehung noch zerbricht, beziehungsweise die Logik selbst noch umfasst wird (vgl. Nishida 1999a, S. 125). Vom Urteil aus, welches sein Subjekt immer weiter prädiziert, lässt sich die Einheit von Subjekt und Objekt im höchsten Allgemeinbegriff als Wahrnehmungsakt betrachten, im Willen, der die Subjektebene auf der Prädikatsebene herausstellt, zeigt sich dies wiederum als Inhalt des Subjekts und somit als Selbstnegation seiner Einheit (vgl. Nishida 1999a, S. 135). Dies bedeutet, dass die Subjektebene in der Prädikatsebene versinkt und die Prädikatsebene zum Subjekt wird (vgl. Nishida 1999a, S. 134 f.). In diesem Sinne ist das absolute Nichts zugleich8 Sein und Nichts, ihre Ausdifferenzierung zudem eine ewige Annäherung, in der sich das Bewusstsein vertieft und erweitert, anstatt sich von seinem Inhalt zu lösen. Damit erkläre sich erst das Bewusstsein vom Wirken als sich selbst substantivierende Form und dadurch der Übergang von identischen Urteilssynthesen zueinander (vgl. Nishida 1999a, S. 136). Dies ist von einem identitätslogischen Standpunkt aus nicht einsehbar, da, wenn Subjekt und Objekt in der Synthese völlig kongruent würden, keine Möglichkeit mehr bestünde, diese Synthese als das Veränderliche begrifflich zu setzen (vgl. ebd.). Dass Nishida im Denken Verdinglichung sieht, scheint sich so zu bestätigen, dass es subjektlos sei, ist jedoch entschieden abzulehnen, vielmehr ist es gleichzeitig auch Objekt für ein Subjekt, was sich aus der Position des Subjekts jedoch nur einseitig verzeitlicht darstellen lässt. Die metaphysische Qualität eines solchen Standpunkts gibt er durchaus zu, das wahre Nichts sei „nicht mehr als ein Ideal“ (Nishida 1999a, S. 99) und die innere Wahrnehmung damit „nur eine einfache Grenze“ (ebd.). Rein phänomenologisch kann dieser Ort also nicht erreicht werden, worin er sich schlicht als logische Annahme erweisen kann. Der Erklärung der Wechselwirkung von Subjekt und Objekt im Übergang zum jeweils anderen ist so allerdings eine kohärente Basis verliehen.

 

3. Das Nichts des Bewusstseins und dessen Konsequenzen

Nun haben sich zwei offenbar entgegenstehende Standpunkte herauskristallisiert, die sich beide im Kontrast zu Hegels Phänomenologie verstehen. Während Sartre die Gleichsetzung der abstrakten Seins- und Nichtsbegriffe entschieden ablehnt, indem er die Notwendigkeit einer primären Positivität des Seins vor dem Akt der Negation setzt, die vom Subjekt ins An-sich getragen wird und nicht aus letzterem hervorgehen kann, verkehrt Nishida diese Auffassung dahingehend, dass, gerade aufgrund ihrer Gleichsetzung, die Negation dem Sein vorausgeht, da diese Ununterschiedenheit selbst noch als Akt beziehungsweise als „‚reiner Vollzug‘“ (Nishida 1999a, S. 91), gesehen wird (vgl. Sartre 2020, S. 68). Gegen Hegel stimmen beide darin überein, dass das Nichts als Leere von Sein nur aufgrund des Bezugs zu Selbigem gedacht werden kann (vgl. Sartre 2020, S. 69). Was dieses grundlegende Sein oder Nichts jeweils sein müsse, sollte nun zureichend dargelegt worden sein, wie die Natur dieses Bezugs hingegen beschaffen ist, gilt es im Folgenden zu erörtern. Manches hierzu klang im Gesagten bereits an, die genaue Natur des Zugriffs des Bewusstseins zum Sein ist jedoch von ausschlaggebender Wichtigkeit für die konkrete Möglichkeit oder Unmöglichkeit des authentischen Selbstbezugs.

 

3.1. Das Für-sich als Anwesenheit beim Sein

Das Bewusstsein in Sartres Konzeption wurde bereits als non-identitäre Einheit gefasst, in der das Sein des An-sich gespiegelt und gleichzeitig die intentionale Tätigkeit des cogito gewährleistet wird. Er beschreibt diesen Seinstypen als das Für-sich (vgl. Sartre 2020, S. 176). Dies leitet er aus der empirischen Struktur der Haltung der Fragestellung gegenüber dem Sein ab, die er metaphorisch als ‚Abstand nehmen‘ erfasst, worin sich von der Kausalkette des rein positiven Seins auf das Sein hin, das es nicht ist, gelöst wird (vgl. Sartre 2020, S. 82). Darin findet sich eine doppelte Negation, in radikaler interner Weise als Negation (von) sich, die Totalität des An-sich nicht zu sein, und in konkreter externer Weise auf dem Hintergrund der entdeckten Totalität ein bestimmtes Dieses auszumachen, was eine Negation der radikalen Negation bedeutete (vgl. Sartre 2020, S. 342). Sartre zeichnet zum Verständnis die Beziehung von Für-sich zum An-sich am Bild von zwei Tangenten nach. In der internen Negation berühren sich beide Kurven noch unmittelbar in einem Punkt und können rein identisch als eine Linie gesehen werden (vgl. Sartre 2020, S. 334). Insofern sich das Für-sich durch die interne Negation allerdings selbst bestimmt, ist es Negation dieser Identität, wodurch es beide Linien „in ihrer ganzen Länge erfasst“ (ebd.) und als von vornherein radikal Getrennte herausstellt. Da sich das Für-sich zudem nur auf dem Grund von ‚etwas‘ bestimmen und die Totalität von Sein nur aufgrund seiner Glieder erkennen kann, kann sich sein nicht-thetisches erfassen (von) sich, die Totalität zu sein, nach dem Modus, sie nicht zu sein, nur im thetischen Erfassen von etwas, eine gewisse Qualität nicht zu sein, vollziehen (vgl. Sartre 2020, S. 338). Das Für-sich entdeckt sich damit immer schon in einer Welt engagiert, die in viele ‚Diese‘ zerfallen ist und sich daher „zweideutig […] zugleich als synthetische Totalität und als rein additive Kollektion aller ‚Dieses‘ enthüllt“ (ebd.). Die Bezüglichkeit der an-sich bezugslosen ‚Dieses‘ untereinander stellt sich aufgrund ihres Raumes, deren „Idealität der Synthese“ (Sartre 2020, S. 344), als kontinuierliche Diskontinuität von Hintergrund und Gestalt für das Für-sich dar. Die externe Negation sei dabei korrelativ zur Position des Für-sich in der radikalen Negation, in der es sich selbst in Abhebung als Nichtung der Totalität bestimmt (vgl. Sartre 2020, S. 341). Im Nehmen des Abstands wird es daher zur Anwesenheit bei einem konkreten Sein, das es nicht ist. Konkret bedeutet das, dass das Für-sich das Sein auf seine Möglichkeit, nicht oder anders zu sein, überschreitet und daraus bestimmte Möglichkeiten als die seinen erkennt (vgl. Sartre 2020, S. 94).

 

3.1.1. Interne & Externe Negation

Der Unterschied von interner und externer Negation spiegelt so auch den Akt des intuitiv-intentionalen cogito wider. Die intuitiv erfassten Qualitäten zeigen dem Für-sich in ihrer Gesamtheit an, was es nicht zu sein hat und stellen sich dem Bewusstsein gleichzeitig als konkrete ‚Dieses‘ in ihrer Indifferenzexteriorität zueinander dar (vgl. Sartre 2020, S. 346). Das ‚Dieses‘ enthüllt sich in der intentionalen Bestimmung als „Korrelat der eigenen Möglichkeit meiner gegenwärtigen konkreten Negation als Möglichkeit, diese Negation nur noch zu sein“ (Sartre 2020, S. 352), bezeichnet also die Abstraktion von der Qualität auf einen Sinn hin, der sich dem Für-sich durch eine bestimmte Möglichkeit seiner zukünftigen Anwesenheit bei ihm aufzeigt. Solange sei es noch eine interne Negation. Insofern das Für-sich darüber jedoch nicht aufhört, bei der Vielheit diverser ‚Dieses‘, die sich im Gegensatz des hervorgehobenen ‚Dieses‘ als ‚Jenes‘ konstituieren, anwesend zu sein, eröffnet sich darin ihre Indifferenz in ihrer Isolation voneinander (vgl. Sartre 2020, S. 354 f.). In der internen Negation geht demnach die Intuition in die Intention über, worin der sich identische Gegenstand negiert wird, als ‚Dieser‘ und nicht ‚Jener‘ und ‚Jener‘ als nicht ‚Dieser‘ seiend. Sartre beschreibt letzteres deswegen als externe Negation, da sie weder dem Für-sich noch dem An-sich zuzuordnen sei, sondern dem Nichts-an-sich, welches lediglich „vom Für-sich zitiert-zu-werden“ (Sartre 2020, S. 346) vermag. Sie sei gleichzeitig an-sich und ideal, da sie außerhalb des Für-sich als Nichts der Bezüglichkeit des An-sich entdeckt werde (vgl. Sartre 2020, S. 354). Es stellt sich daher in der Form des Raumes und der Quantität dar, worin sich die Unabhängigkeit seiner Glieder ausdrückt, was nur durch das Bewusstsein als Selbstbezug herausgestellt werden kann und gleichsam konstitutiv für seine Erkenntnis ist als Negation der Indifferenz (vgl. Sartre 2020, S. 346). Das Für-sich erfasst das An-sich in der Oszillation zwischen Raum und ‚Dieses‘ daher immer konkret und abstrakt, die Grundlage seiner Erkenntnis ist jedoch nicht ekstatischer Natur und weder konkret noch abstrakt. Darin ist das Sein selbst nicht berührt, seine Grenze wird in der Negation auf sein Nichts hin realisiert und überschritten, indem es sich außerhalb des Seins begibt (vgl. Sartre 2020, S. 83). Es würde ihm dadurch „nichts hinzugefügt“ (Sartre 2020, S. 335), wodurch es bloß darin festgehalten wird, dass es Sein gibt. Da das Bewusstsein in seinem stetigen Wissen um sich selbst sich gegenüber völlig transluzide sein müsse, da es, würde es das Sein seines Inhalts selbst enthalten und modifizieren, die undurchdringliche Opazität der Substanz in sich einführen würde, womit es sich selbst gegenüber uneinsichtig wäre, setzt Sartre das Sein des Bewusstseins als reine negierende Tätigkeit. Er unterscheidet darin zwischen der Negation als rien, dem tätigen Beziehen, mit dem es einen Spalt in sich und zwischen den Dingen eröffnet, und dem néant, dem Sein des Nichts als Seinsstruktur des Für-sich, welches sich ihm in substantivierter Form als Abstand bzw. Spalt darstellt (vgl. Sartre 2020, S. 90). Das néant wird so als Grundlage des Negierens gesehen, da es sich allerdings in der Tätigkeit erst als Grundlage konstituiert, das Negieren das Sein des Nichts im Für-sich ausmacht, werden beide Begriffe häufig kommutativ genutzt, weshalb im Weiteren schlicht vom Nichts gesprochen wird (vgl. Sartre 2020, S. 90, 399).

Die Schwierigkeit des Übergangs nicht-thetischer Bewusstseinsinhalte zu thetischen wurde bereits aufgewiesen, doch auch wenn Sartre den Übergang in der internen Negation beschreibt, bringen beide Modi ihre eigenen Problematiken mit sich. So soll die Intuition noch frei von der Subjekt-Objekt-Trennung sein, was er in einer Vorlesung daran festmacht, dass es „nicht von einem ‚Ego‘ bewohnt wird“ (Sartre 1990, S. 33) und dennoch persönlich sei. Er möchte die Legitimität dieser Aussage darin herausstellen, dass das Bewusstsein reiner Akt sei, dessen Inhalt nichts anderes als Bewusstsein ist, also nicht unmittelbar Objekt für ein Subjekt, das aber über sich hinaus verweist (vgl. Sartre 1990, S. 34). Diese Art des Gewahrens von Selbstheit in seiner völligen non-Substanzialität erinnert stark an die Ausführungen Nishidas zum Ort der Anschauung und dem Erfassen des Selbst im Sinne von jikaku. Was dabei allerdings heraussticht, ist, dass die Kritik Langes aufgrund Sartres identitätslogischen Ansatzes hier wieder an Kraft gewinnt und erneut gefragt werden muss, wie sich die Intuition (von) sich subjektlos konstituieren kann, wenn sein Erfassen (von) sich als leerer Akt im Verweis auf eine transzendente Substanz doch den Unterschied von Form und Materie schon voraussetzt? Und wenn wiederum Bewusstsein und Inhalt darin noch eine ungeteilte Totalität ausmachten, würde nicht nur die bestimmte Negation, sondern das Herausschälen der Subjektivität selbst sowie der Übergang von Urteil zu Urteil fraglich. Mit Nishidas Beispiel der Melodie gesprochen, ließe sich sagen, dass die diskontinuierlichen Einzeltöne innerhalb der Melodie nicht zu bestimmen seien, da die Isolation des Subjekts von der Totalität der, den Wahrnehmungsinhalt ausfüllenden, Melodie nicht zu trennen sei, da es selbst nicht in einem ersten Urteilsakt als Einzelnes bewusstwerden kann, demgegenüber sich einzelne ‚Dieses‘ aufzeigen könnten. Es scheint sich ein blinder Fleck in dem Heraustreten des Dinges aus seinem Hintergrund zu zeigen, der in der Trennung von interner und externer Negation begründet liegt.

Die Position des Nichts-an-sich in der externen Negation, die Sartre selbst als „‚in der Luft‘ schwebend“ (Sartre 2020, S. 346) und als „passive Ekstase des An-sich“ (Sartre 2020, S. 398) bezeichnet und worin er eine Ebene konstituiert, die weder dem An-sich noch dem Für-sich angehört, soll ja die Subjektivität bedingen. Hierbei scheint fraglich, inwiefern die externe Negation dem Für-sich extern sein kann, wenn sie nur aufgrund der internen Negation erscheint, ohne nicht doch dem An-sich-sein anzugehören. Daraus müsste sich eine dritte Ebene, ein Sein des Nichts, das nicht das Für-sich ist, ableiten. Zeit und Raum müssten dem Sein angehören, ohne es zu sein. Er beschreibt diese als retrospektiv erfasste „substantialisierte Nichtse“ (Sartre 2020, S. 398), die nur durch ein Für-sich realisiert werden können, gesteht allerdings ein, dass der Ursprung dieser Nichtse in ihrer Tätigkeit ontologisch nicht zu ergründen und daher als bloß kontingent anzunehmen sei (vgl. Sartre 2020, S. 380). Dass etwas vom Sein ausgehen muss, was das Erscheinen und Verschwinden von Seinsphänomenen bedingt, stellt er in seiner Analyse der Zeitlichkeit fest, ansonsten wäre dieses Nichts-an-sich dem Sein völlig enthoben (vgl. ebd.). Er erkennt den Grund dieser Ebene nun in der Identität des An-sich, die nur in der Negation festgestellt werden kann. So heißt es: „[d]ie Spaltung kommt also vom Sein, aber es gibt Spaltung und Trennung nur durch die Anwesenheit des Für-sich beim ganzen Sein“ Sartre 2020, S. 354). Nun ist aber doch die Identität mit sich ebenfalls eine Art des Bezugs, die die Indifferenz räumlich darstellt. Insofern das Nichts des An-sich daher konstitutiv für die reine Negativität des Für-sich und die Identität des An-sich ist, ist nicht einsichtig, wie es selbst nicht Indifferenzexteriorität als Transzendenz des Sein-an-sich und damit dem Sein gleichzeitig sein könne. Und wenn es hingegen selbst die reine Negativität des Für-sich ist, die zum An-sich realisiert wurde in Auflösung der unmittelbaren Anwesenheit, erklärt sich nicht, wie es dem Für-sich äußerlich sein sollte.

 

3.1.2. Der Ursprung der Negation

Nun bleibt noch zu erörtern, was Grund der Seinsdekompression des Für-sich ist. Die Motivation für die Negation sieht Sartre in der Freiheit, in der Möglichkeit, sich selbst in einer Handlung zu begründen, wie sie sich unter anderem sehr klar in der Angst zeigt, welche „als Erfassen des Selbst [erscheint], insofern es als fortwährender Modus des Losreißens von dem, was ist, existiert; mehr noch: insofern es sich als solches existieren macht“ (Sartre 2020, S. 101). Das Für sich begreift sich so aus seiner Zukunft, die es nicht ist, nach der Weise, sie zu sein und in seiner Vergangenheit, die es ist, nach dem Modus, sie nicht zu sein (vgl. Sartre 2020, S. 96 f.).

„Und wenn man fragt, was dieses nichts ist, das die Freiheit begründet, antworten wir, dass man es nicht beschreiben kann, weil es nicht ist, dass man aber wenigstens seinen Sinn angeben kann, insofern dieses nichts durch das menschliche Sein in seinen Bezügen zu ihm selbst geseint wird.“ (Sartre 2020, S. 99).

Dementsprechend wird die Freiheit dem Für-sich zur Notwendigkeit. Er bestimmt es somit in einer Modifikation von Heideggers Definition des Daseins als das Sein, „dem es in seinem Sein um das Nichts seines Seins geht“ (Sartre 2020, S. 81) und damit sein eigenes Nichts selbstnegierend zu sein habend (vgl. Sartre 2020, S. 117). In dieser Weise ist es eine dekomprimierte Seinsfülle, die auf sich selbst zurückgebeugt ist und ekstatisch seine Vergangenheit und Zukunft konstituiert. In der Selbstreflexion wird die Struktur von Spiegelung-Spiegelndes dahingehend erweitert, dass das Spiegelnde der Spiegelung sich in sich selbst spiegelt, es wird also zum Selbstverhältnis von Spiegelung-Spiegelndem zu Spiegelung-Spiegelndem, worin sich das néant als infinitesimale Trennung zu sich zeigt (vgl. Sartre 2020, S. 290). Die Reflexion ist zwar eben das Sein des Reflektierten, erkennt sich aber nur als bestimmtes Objekt der Spiegelung (vgl. ebd.). Triebfeder und absoluter Wert der Motivation sei daher die Wiederherstellung der Identität mit sich durch sich im Sinne eines „An-sich-für-sich“ (Sartre 2020, S. 360), die durch eben diesen Versuch sich selbst zerstört. So genichtetes An-sich besteht zwar durch sich selbst, kann aber nur Grund seines Nichts und nicht seines Seins sein, ließe sich daher nur als die Quasi-Totalität aus genichteter Faktizität und sich seinender Transzendenz fassen, dessen Struktur es ist, Unvollständig zu sein (vgl. Sartre 2020, S. 293 f.). Er spricht dem Für-sich daher auch die Charakteristika eines Mangelwesens zu, welches sich in dem Versuch der Annäherung an sein An-sich seinem Sein flieht (vgl. Sartre 2020, S. 374). Das Für-sich hat daher zwei Möglichkeiten der Anwesenheit bei sich, die reine und die unreine Reflexion, erstere als apodiktisches Erfassen seiner Selbstheit in der Realisierung seiner Möglichkeiten in ‚um-zu‘-Bezügen, während letztere diese Selbstheit sich in der Erinnerung als Mittel gegenüberstellt, gleich dem opaken Objekt seiner Erkenntnis, auf ein bestimmtes veräußertes An-sich reduziert (vgl. Sartre 2020, S. 304 f.). Erstere wird daher als rein aufgefasst, da sie unmittelbares Erfassen ihres Zustands als ihr Selbst ist, während letztere sich nach dem Modus des Wissens vermittelt zu begreifen sucht, worin es die Substanz, eine Art der Wesenheit, in seine Existenz einführt und so sich bloß unaufrichtig erfassen kann (vgl. Sartre 2020, S. 159, 306). Das Für-sich kann sich darin entweder als Sein seiner Faktizität erfassen, ist es ja noch nichts anderes als diese, oder aber als reine Transzendenz, da es als diese nicht von den vorigen Bestimmungen seiner Faktizität abhängt. Ersteres begreift Sartre als Aufrichtigkeit und Letzteres als Unaufrichtigkeit, wobei beides Modi der Flucht sind, die ineinander übergehen, in denen sich das Bewusstsein verstellt und daher auch die Aufrichtigkeit als Weise der Unaufrichtigkeit zu begreifen sein müsste (vgl. Sartre 2020, S. 157). Die Frage, inwieweit damit Authentizität möglich wäre, will Sartre damit aber noch nicht beantwortet haben (vgl. Sartre 2020, S. 159).

 

3.1.3. Der Andere außer mir, Das Für-Andere

Das Für-sich hat sich somit als reine Negativität herausgestellt, die auf ontologischer Basis unmittelbar beim Sein anwesend ist und in der mitlaufenden Erkenntnis diese Anwesenheit ontisch als Abstand realisiert, worin ihm weder sein Sein noch das seines Inhalts je unverstellt gegeben sind. Das Sein stellt sich immer nur in den Grenzen seines rein idealen Nichts dar und der nichtende Akt des Bewusstseins lässt sich nur geseint erfassen. Nun fehle aber zur Erklärung meines Objekt-Werdens für mich noch eine weitere Komponente, ein Grund, durch den sich das intentionale cogito von seinem Inhalt auf sich umwendet und sich ein Ich werden lässt (vgl. Sartre 2020, S. 439). Sartre sieht diesen Grund in der apodiktischen Notwendigkeit des Seins Für-andere im Sein des Für-sich. Gegen dieselbe Bestimmung bei Hegel wendet er dabei ein, dass darin keine Freilegung eines bis dahin unentdeckten Ich liegen könnte, mit dem es sich durch den Anderen identifizieren könnte, da darin wieder ein Sein in das Bewusstsein eingeführt wäre, welches bloß zu erkennen sein müsste (vgl. ebd.). So könnte der erste Bezug zum Anderen kein gegenständlicher sein, würde das Für-sich darin schließlich immer Subjekt bleiben und der Andere bloß wahrscheinlich, und müsse sich daher stattdessen aus der Interiorität des Für-sich erklären (vgl. ebd., S. 442). Gegen Heidegger wiederum, der sich und den Anderen auf ontologischer Ebene im Man als Mit-sein vereint sieht, führt er ins Feld, dass sich der Andere als Konkretum auf der ontischen Ebene nicht daraus bilden kann, ohne sein Sein als Mitsein einzubüßen oder reines Ideal zu werden (vgl. Sartre 2020, S. 449 f.). Der Andere erweist sich für Sartre demnach als internes Faktum des Für-sich, durch den sich das Ich des Für-sich herausstellt als nicht dieser seiend (vgl. Sartre 2020, S. 455 f.).

So sieht er in dem Phänomen des Blicks den Anderen als ein erahntes Subjekt, das mir meine Welt entzieht, indem meine Perspektive auf diese der seinen unterstellt wird (vgl. Sartre 2020, S. 462). Das Für-sich wird im Blick durch den Anderen also zum Objekt-Ich unter anderen Objekten. Der Blick steht hierbei im Vordergrund.

„[W]enn ich den Blick erfasse, höre ich auf, die Augen wahrzunehmen: sie sind da, sie bleiben im Feld meiner Wahrnehmung als reine Präsentationen, aber ich mache davon keinen Gebrauch, sie sind neutralisiert, aus dem Spiel, sie sind nicht mehr Objekt einer These.“ (Sartre 2020, S. 466)

Erst durch ihn erkennt sich das Für-sich als Objekt für Andere und erst unter dieser Gewissheit erscheint der Andere als Subjekt. Das Für-sich kann außer sich ja nur Objekte erkennen, im Anblicken des Anderen sieht es ihn daher nur gegenständlich, bloß insofern es angeblickt wird, erscheint der Andere indirekt als Subjekt (vgl. Sartre 2020, S. 464). Nach dieser Auslegung ist es dem Für-sich daher unmöglich, sich gleichzeitig als blickend und als erblickt wahrzunehmen, es ist entweder das Subjekt, um das sich die Welt organisiert oder ist Teil der Welt als Objekt Für-andere. Die Vorstellung eines Kampfes um das Subjekt-sein in der Begegnung mit dem Anderen, wie sie im Herr-Knecht-Modell Hegels exemplifiziert wird, tritt hier also ähnlich zutage, bloß die Vereinigung im allgemeinen Subjekt bleibt ausgeschlossen (vgl. Sartre 2020, S. 482). So ist der Andere unmittelbar bei dem Für-sich anwesend, während diesem dadurch seine Distanz von der Welt aufgedeckt und das Jenseits der Totalität von Welt erst entdeckt wird (vgl. Sartre 2020, S. 485). Was dem Für-sich dabei angezeigt wird, ist sein unerreichbares An-sich, wie es dem Anderen erscheint, und das es infolge zu übernehmen und zu rechtfertigen hat (vgl. Sartre 2020, S. 473). Sartre spricht in diesem Zusammenhang vom „Tod meiner Möglichkeiten“ (Sartre 2020, S. 477) zu reinen Wahrscheinlichkeiten und der Zurückeroberung des Für-sich in der Negation der Möglichkeiten des Anderen zu „Nicht-durch-mich-gelebten“ (Sartre 2020, S. 517). Es ist also unmöglich, dass sich in dieser Konzeption zwei Subjekte gegenüberstehen, die sich als tätige Transzendenzen erkennen. Entweder umfasst der Andere mich in seiner Welt als transzendierte Transzendenz und entfremdet mich so von mir, oder ich ihn. Gerade hier scheint Sartre allerdings die Authentizität zu verorten.

„Es gibt zwei authentische Haltungen: die, durch die ich den Anderen als das Subjekt anerkenne, durch das ich zur Objektheit komme – das ist die Scham; und die, durch die ich mich als den freien Entwurf erfasse, durch den der Andere zum Anderer-Sein kommt – das ist der Hochmut oder die Behauptung meiner Freiheit gegenüber dem Objekt-Anderen.“ (Sartre 2020, S. 519)

Das Für-sich ist also in der Hinsicht authentisch, dass es sich auf einen Aspekt seiner Quasi-Totalität reduziert. Dass das Erreichen des ‚sich‘ des Für-sich nur durch den Anderen möglich ist, der es erst ‚sich‘ haben lässt und damit zu Grund dessen Seins oder Nichts wird, scheint eingängig. Aber auch wenn es darin also ganz Sein oder Nichts ist, scheint es merkwürdig, hierin Authentizität erkennen zu wollen, da diese im Kern zwei unaufrichtige Haltungen sind und, auch wenn Aufrichtigkeit nicht Authentizität bedeutet, aufgrund der Transluzenz des Bewusstseins selbiges sich als immer noch sein Sein zu sein habend wissen müsste und immer noch keine Totalität wäre.

Da nun das kontingente und den Anderen von mir ausschließende An-sich des Für-sich als der Körper identifiziert wird, stellt sich das Bewusstsein in jedem Moment als eine Flucht des eigenen Körpers dar, den ich nur äußerlich durch den Anderen vermittels der Sprache zu erkennen vermag (vgl. Sartre 2020, S. 624). Insofern ist das Für-sich abhängig von seiner Körperlichkeit und nähert sich diesem im Losreißen von ihm unendlich an, ohne ihn je sein zu können. Es ist dabei in keinem Punkt seines Seins nur Körper, da auch das nicht-thetische Bewusstsein (von) sich Nichtung seines An-sich ist, motiviert durch einen Ekel, der nicht aus diesem hervorgeht (vgl. Sartre 2020, S. 583, 597). Derart an seinen Körper gebunden aber in freier Bezüglichkeit zu ihm stehend, immerwährend seinen „Körper «zu haben»“ (Sartre 2020, S. 597), und nie ganz sein zu können, schimmert hierin ein Dualismus von Geist und Körper durch, der sich bereits in der strikten Trennung von Sein und Nichts und später in der Ebene der externen Negation andeutete. Viel aufdringlicher sticht in der Konzeption des Für-Andere-Seins aber die Frage hervor, wie der Andere sich im Phänomen des Blicks als Subjekt erweisen soll, wenn auf nicht-thetischer Ebene noch kein Subjekt angenommen werden soll und er auf thetischer bloß als Objekt gegeben ist. Dahlhaus rezitiert dazu den Einwand Kampits', dass das eigene Objekt-Werden am Beispiel der Scham nicht notwendig darauf rückschließen ließe, dass dies aufgrund der Existenz eines Anderen geschehe (vgl. Dahlhaus 1986, S. 50). Damit müsste aber der Andere doch bereits als Subjekt gegeben sein, um dieses Phänomen zu begründen, andererseits bliebe der Andere doch nur wahrscheinlich.

 

3.2. Das Selbstbewusstsein als Befindlichkeit in sich

Die Anschauung wurde bereits als der Ort ausgemacht, in dem das Wirken von Subjekt und Objekt gedacht werden kann, aus dem gleichermaßen Verstandeskategorien, Gefühle, die Wahrnehmung und der Wille hervorgehen (vgl. Nishida 1999a, S. 87). Auch manche Ähnlichkeiten zur präreflexiven Totalität von Selbst und Welt in Sartres Auslegung konnten darin festgestellt werden. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Substantivierung des Ortes der Anschauung, wenn die Anschauung sich von sich selbst aus betrachtet, worin in dieser Gleichsetzung der Übergang von Intuition zu Intention gesehen werden könnte (vgl. Nishida 1999a, S. 137). Nishida sieht den Übergang von einem Standpunkt zum nächsten nun aber nicht in der Weise von Linien bzw. Kurven, „die sich in einem Punkt berühren“ (vgl. Nishida 1999a, S. 119), sondern in sich unendlich überlagernden Kreisen, die sich gegenseitig enthalten. Da das Bewusstseinsfeld die Gegenstandebene inkorporiert, lässt es sich nicht als Hinaustreten aus sich begreifen, wodurch außer sich bei etwas anwesend wäre, eher müsste es sich dabei noch in sich selbst befinden (vgl. Nishida 1999a, S. 75, 133). Das Bewusstsein von etwas ist demnach keine Anwesenheit bei sich, sondern eine Befindlichkeit in sich.

 

3.2.1 Das absolute Nichts als peripherieloser Kreis

In dem Aufsatz Ich und Du (1932) wird das Bild des Selbstbewusstseins als Kreis noch erweitert. Zunächst hebt er erneut das Bewusstseinsfeld als Ort aller Einzeldinge hervor, die sich selber spiegeln und so ihre Umgebung bestimmen (vgl. Nishida 1999b, S. 148). Versteht man den Ort hierbei als rein passive Instanz, ließe sich nach Nishida die sinnliche Wahrnehmung denken (vgl. ebd.). Allein aus sich könnten die Einzeldinge aber nicht hervortreten und keine Beziehung zueinander unterhalten, der Ort ist also von ebenso konstitutiver Bedeutung für sie wie sie für ihn (vgl. Nishida 1999b, S. 144). Die gegenseitige Bedingung in der Form des zugleich hat sich bereits im Kontrast zu Hegels prozessualer Dialektik gezeigt. Die Beziehung der Dinge untereinander ist also unmittelbar aber getrennt bzw. vermittelt durch einen „orthaften Schnitt“ (ebd.), was sich so verstehen lässt, dass ihre Beziehung zueinander über den Ort geschieht, der ihnen gegenüber nichts ist. In diesem substanzlosen Nichts des Ortes, der sich aber ebenso substantivieren ließe, sieht Nishida gleichsam den Übergang von Qualität zur Quantität, dem Zeitlosen zum Zeitlichen und der Entwicklung des Individuums aus einem gemeinschaftlichen Grund (vgl. Nishida 1999b, S. 143 ff.). Auch wenn durch den Ort als Fundament in Nishidas System eine völlig andere Grundlage ihrer Beziehung geschaffen ist, lassen sich doch schon hier einige Parallelen zur externen Negation Sartres aufweisen. So kommt auch er zu dem Schluss, dass sich Realität in ihrer Verzeitlichung als diskontinuierliche Kontinuität verhält, in der sich Innen- und Außenwelt zu Gegensätzen entwickeln (vgl. Nishida 1999b, S. 141). Darin kann die Negation des Zeitlichen als „Aspekt des Todes“ (ebd.), die Außenwelt, oder auch Umgebung, bestehend aus unbelebten Körpern, verstanden werden und dessen Bejahung als „Aspekt des Lebens“ (ebd.), worin sich die Innenwelt des Geistes des Individuums ausdrücke. So bestimme sich im Übergang von Augenblick zu Augenblick die Gegenwart selbst als Leben und Sterben auf der Ebene des absoluten Nichts (vgl. Nishida 1999b, S. 155). Diese Art der widersprüchlichen gegenseitigen Selbstbestimmung der Gegenwart drücke somit auch die gesellschaftliche Ebene aus, auf er sich das Individuum affirmiert und durch seine Umgebung negiert wird, die also „unzählige Gegenwarten, die sich selbst bestimmen“ (Nishida 1999b, S. 143) in sich enthält. Das „individuelle Ich“ (Nishida 1999b, S. 153), das begriffliche Ego auf dieser Ebene, wird als ein solcher bestimmter Augenblick verstanden. Demgegenüber definiert Nishida das „persönliche Ich“ (Nishida 1999b, S. 166) als die Bestimmung aus der Zukunft.

Damit wird der Augenblick selbst als „unendlich großer Kreis“ (Nishida 1999b, S. 152) verstanden, der sich in Selbstnegation aus seinem Zentrum bestimmt. Insofern das absolute Nichts nun nicht bloß anachronistisch das Nebeneinander der Augenblicke, sondern auch die sich daraus ergebende zeitliche Reihe von Augenblicken umfasst, die sich in sich selbst als Zentrum bestimmen, lässt sich diese Ebene als völlig „peripherielose[r] Kreis“ (vgl. Nishida 1999b, S. 153) beschreiben, in dem jeder Punkt Zentrum ist. Nun übersteigt die Bestimmung des Einzelnen in sich stetig seinen Ort, was in einem peripherielosen Kreis jedoch kein wirkliches heraustreten bedeuten kann, sondern eine Erweiterung des Kreises selbst. Derart gestalte sich die freie Bestimmung aller Einzeldinge aus der Perspektive des Ortes in der Einheit eines Augenblickes als perpetuelle Zuspitzung eines Punktes wie ein Kegel, der „von der Basis aus gesehen immer weiter in die Tiefe wirbelt“ (vgl. Nishida 1999b, S. 171). Da die Vertiefung nun durch die Basis bereits gewährleistet werden muss, versteht sich die Ausweitung des Ortes als Überschreitung der Grenze seiner Bestimmung hin zum nächsten Ort. Die Peripherielosigkeit bezeichnet somit eine Aufdeckung der unendlichen Entwicklung des Augenblicks, indem die Bestimmung aus der irrationalen Vergangenheit durch die Bestimmung aus der Zukunft im Sinne eines teleologischen Sollens überschritten wird, welche sich wiederum nur auf dem Boden ihrer Vergangenheit erklärt (vgl. Nishida 1999b, S. 169). Anders ausgedrückt müsse das Einzelne das Allgemeine und das Allgemeine das Einzelne bestimmen, wodurch weder stoffliche noch geistige Materie einander vorrangig gedacht werden können. (vgl. ebd.) Dem Beispiel der Melodie weiter folgend verwirklicht sich das musikalische Stück in jedem folgenden Ton, der seine Bestimmung aus der Gänze des Stücks gewinnt und es wiederum nachträglich als neue Einheit ausweist, die am Ende der augenblicklichen Entwicklung steht und deren umfassenden Ort ausmacht. Nishida setzt daher eine dialektische Materie voraus, aus der sich die prozessuale Dialektik im Ort des Subjekts ableitet (vgl. Nishida 1999b, S. 168 ff., 187).

 

3.2.2. Der absolut Andere in mir

Mit dieser Begründung lassen sich auf der gemeinschaftlichen Bewusstseinsebene das Ich und das Du, beziehungsweise der Andere, unmittelbar gegenüberstehend und durch diese bestimmt betrachten (vgl. Nishida 1999b, S. 164). Das Du ist in dieser Konzeption nicht ausschließlich ein anderer Mensch, er ist der gegenüberstehende Augenblick, in welchen in der Negation von sich übergegangen wird. Dies versteht sich in räumlicher wie in zeitlicher Dimension, sodass das Du auf intrasubjektiver Ebene das vergangene Ich9 und auf intersubjektiver Ebene der andere Mensch ist. Daraus folgert Nishida, dass im wahren Ich, welches im dialektischen Vollzug individuelles und persönliches Ich vereint, um sich selbst betrachten zu können, das Ich in sich den absolut Anderen und zugleich im absolut Anderen sich selbst sehen können muss (vgl. Nishida 1999b, S. 190). Genau wie Sartre schließt er die Anerkennung des Anderen als nicht bloßer Gegenstand seiend per Analogie zum eigenen Bewusstsein aus (vgl. Nishida 1999b, S. 164). Es sei ebenso ein unmittelbares Wissen um die Subjekthaftigkeit des Anderen, diese sei allerdings nicht allein in dem ihn preisgebenden Phänomen gegeben, das den Körper verdeckt, stattdessen vertiefe es sich im Handeln als persönlicher und leiblicher Ausdruck, der in der Form der „Resonanz“ (Nishida 1999b, S. 178) das Gegenüber affiziert. Die Resonanz drückt hierbei den Widerhall des geistigen Ausdrucks durch den eigenen Leib im Leib des Anderen aus, wodurch die Auffassung der Einheit von Geist und Körper im Ausdruck noch deutlicher wird und nach Nishida „durch unser Handeln auch Ideen“ (Nishida 1999b, S. 177) gesehen werden können. Das instinktive Wissen um die Subjektivität des Anderen verschwinde demnach nicht auf gegenständlicher Ebene, sobald sich der abgeschlossene Körper des Anderen in den Vordergrund rückt, es sei die explizite Realisierung der impliziten Forderung um Einzelheit in der Gemeinschaft (vgl. Nishida 1999b, S. 178). In diesem Sinne äußert sich die geistige Ebene gegenständlich, was durch den Umstand, dass alle geistigen Wesen leiblich sein müssen, eine Art der unvermittelten Vermittlung bedeutet. Dieser Weise nach ist es Nishida möglich, zu sagen:

„Wir werden mit dem großen Universum nicht eins, indem wir unbewusst werden, vielmehr berühren wir in der Spitze unserer persönlichen Selbstbestimmung den kosmischen Geist auf verschiedenen Ebenen.“ (Nishida 1999b, S. 180)

Was hierin ebenfalls zum Vorschein kommt, ist, dass im gegenseitigen Ausdruck, was Nishida sinnbildlich als ‚Antworten‘ oder auch ‚miteinander sprechen‘ interpretiert, Ich und Du durch den Ausdruck des jeweils Anderen nicht rein bestimmt oder rein bestimmend sind (vgl. Nishida 1999b, S. 179, 189). Es ist ein „unmittelbares Einander-Sehen“ (Nishida 1999b, S. 186). Auf das Phänomen des Blicks angewandt, ließe sich sagen, dass auch im Anblicken des Anderen, der Angeblickte nicht aufhört, mich anzublicken, selbst wenn seine Augen nicht auf mich gerichtet sind. Auch in der passiven Rolle jeder Interaktion hörten Subjekte daher nicht auf, Subjekte ‚füreinander‘10 zu sein. Das Problem der authentischen Selbsterfassung scheint in dieser Hinsicht nahezu banal. Nishida schreibt, dass „ich dort wirklich zum Ich bin Ich werde“ (Nishida 1999b, S. 201), wo ich im absolut Anderen mich selbst und in mir den absolut Anderen sehe, was aber, wie mittlerweile herausgestellt, nur im tätigen Handeln möglich ist und daher keine teleologische Formel bedeutet. Im späteren Aufsatz Ortlogik und religiöse Weltanschauung (1945) wird er diesen Umstand zudem in einer radikalen Alltäglichkeit verorten, worin Unauthentizität einen fast unmöglichen Anklang bekommt (vgl. Nishida 1999c, S. 272). Noch behauptet er allerdings die Schwierigkeit der Authentizität im Verkennen der Intersubjektivitätsrelation als Auffassung eines Kampfes, wodurch die Selbsterkenntnis im Anderen ausbliebe (vgl. Nishida 1999b, S. 200). Dies münde aus der strikten Trennung von Geist und Natur, die die Geltungshoheit der Einen über die Andere beanspruche, die Nishida mit all seinen bisherigen Ausführungen zu diskreditieren versucht hat (vgl. ebd.).

 

4. Möglichkeit der Integration der Systeme

Es wurden nun schon einige Parallelen in den Inter-Subjektivitätstheorien Sartres und Nishidas herausgestellt. In beiden Fällen bezeichnet die Intuition die Erschließung einer Totalität, in der Sein und Nichts zwar vorliegen aber noch nicht begrifflich getrennt sind. Die Intention hingegen identifizieren beide als das Werkzeug der begrifflichen Vereinzelung, das dem Bewusstsein durch die Erfahrung des Anderen an die Hand gegeben wird und mit dem es sich und seinen Gegenstand in objektiven Wesensbegriffen festzulegen vermag. Trotz der immens unterschiedlichen Sprache, die sie in ihren Werken verwenden, überschneiden sich dabei erstaunlich viele ihrer Begrifflichkeiten. Von Leben und Tod als Metaphern für die Bestimmung von Innen oder Außen, Dauer oder Zeitpunkt, Selbst oder Anderem, bis hin zur diskontinuierlichen Kontinuität als Allgemeinbegriff der ambivalent anmutenden Realität scheint die Struktur der menschlichen Erfahrung fast deckungsgleich. Selbst die sich einstellenden Phänomene in der Konstitution des Selbstbewusstseins durch den Anderen, wie Angst, Schuld und Scham, werden von beiden in ähnlichen Kontexten verwandt, auch wenn hierauf aus Gründen des Umfangs dieser Arbeit nicht näher eingegangen wurde (vgl. Nishida 1999b, S. 198; Sartre 2020, S. 482). In ihren Konklusionen hingegen sind sie allerdings völlig entgegengesetzter Meinungen. Sartres pessimistischer Ausblick trägt seinen existenziellen Einfluss offen zur Schau, wenn er den Menschen in seinem aussichtslosen Unterfangen darstellt, sich selbst begründend Gott sein zu wollen und nie zu können (vgl. Sartre 2020, S. 175). Nishida hingegen versucht, gerade in dieser Bewegung das Göttliche zu sehen, worin allein das Anhalten des Sich-Entwerfens zum Sündenfall umfunktioniert wird (vgl. Nishida 1999b, S. 203). Da die phänomenologischen Beschreibungen nun aber so sehr ähnliche Konzepte erschließen konnten, kann hierin wenig Grund für diese massive Divergenz in ihrem Ausgang gesehen werden. Und tatsächlich scheint ihr ganzer Unterschied in ihrem tiefsten, logischen Fundament begraben zu liegen, was kleine Auswirkungen auf die Intersubjektivitätstheorie hat und zugleich maßgeblich ihren äußersten Möglichkeitshorizont bedingt. Nun haben sich im Verlauf der Analyse manche Probleme in der Konzeption des Nichts bei Sartre gezeigt. Ist es möglich, das Für-sich von Sartre in das System Nishidas einzugliedern, um diese Probleme aufzulösen, ohne Sartres Ziel in dessen Entwurf zu verfehlen? Kehren wir zu unserem Ausgangspunkt zurück.

 

4.1. Das Problem des Nichts des Für-sich

Sartre war es daran gelegen, die radikal idealistische wie auch realistische Auffassung des Seins abzulehnen und einen Punkt aufzuzeigen, in dem sich beide Positionen zu Teilen bejahen lassen (vgl. Sartre 2020, S. 396 ff.). In der Kritik am letzten Dualismus Husserls und Heideggers, dem von Endlichem und Unendlichem, unterstellt er die Konstitution einer „‚Hexis‘‘‘11 (Sartre 2020, S. 11), die sich in der Erfüllung ihres Seins als Erscheinen auflöse, wenn sie keinem Sein mehr erscheinen könnte, die Erscheinung also entweder völlig von ihrem Wesen getrennt ist oder mit ihm zusammenfallen müsste. Auf der anderen Seite schlägt er das Sein als percipere aus, da es sich ebenso auflöse, wenn es „nicht von einem soliden Sein getragen wird“ (Sartre 2020, S. 18). Er spricht sich darin explizit dafür aus, dass eine Umformung des Seins vom Wahrnehmen zum Handeln „unfruchtbar bliebe“ (ebd.), da dann das Sein des Handelns zu erörtern wäre.

Auch wenn diese Einwände gerechtfertigt sein mögen, unterliegt der Lösung Sartres durch die strikte Trennung von Substanz und Akt eine Subjekt-Objekt-Dichotomie aus dem Sein der Erkenntnis, der Quasi-Totalität aus ‚Erkennendem-Erkanntem‘, die dem totalen Sein des Erkannten gegenübersteht (vgl. Sartre 2020, S. 21, 397). Im Ausgang vom cogito als ‚Bewusstsein von etwas‘ sieht Sartre bloß die Möglichkeit, einer „vollen Anwesenheit […] die nicht das Bewusstsein ist“ (Sartre 2020, S. 34) gegenüberstehen zu können. Dahinter verbirgt sich allerdings noch die Auffassung von Sein und Nichts als einander exklusive Fülle und Leere, die als bestimmte Begriffe noch dem bereits bestimmten Feld der Wahrnehmung angehören, aus dem Sartre sie ableitet (vgl. Sartre 2020, S. 29). Die unterliegende Identitätslogik gewinnt ihre Kraft also noch aus dem Raum der Erkenntnis, dessen Primat Sartre zu umgehen gesucht hat. So kommt er dazu, dem transphänomenalen Sein des Objekts alle Bestimmungen zu entziehen, außer dass es ‚sein‘ müsse, im Sinne einer reinen Positivität (vgl. Sartre 2020, S. 41). Auch kann er die Tätigkeit des Bewusstseins in Bezug auf sein Objekt nur als ‚Entweder-Oder‘ verstehen, worin das Bewusstsein seinen Gegenstand entweder konstituiert oder aber ihn aus einem transzendenten Sein, das es nicht ist, gewinnt, ohne in Betracht zu ziehen, dass beides auf präphänomenaler Ebene möglich wäre (vgl. Sartre 2020, S. 33). Somit ist das Absolute an Existenz zwar nicht mehr das bloß relativ-absolute Erkenntnisobjekt, es ist aber selbst noch relativ zu dem Absoluten an Sein, worin sich eine Trennung aufmacht, die Sartre nie zu schließen vermag. Schließlich sei das Für-sich zwar selbst die Synthese aus An-sich und Für-sich, indem sie durch ‚nichts‘ getrennt sind, doch wie sich gezeigt hat, ‚ist‘ dieses Nichts noch, und die Trennung damit eine substanzielle (vgl. Sartre 2020, S. 1055). So verbannt er das Sein aus dem Bewusstsein und das Bewusstsein aus dem Sein, indem er das Bewusstsein zum Nichts deklariert, was das Sein in sich darstellt wie es ist, und genau damit doch nie an es heranreicht. Damit ist nicht erst die Intention als begriffliche Überschreitung der Existenz auf seine Wesenheit eine Verstellung des Seins-An-sich, auch die sich der Intuition eröffnende Totalität, die in sich schon das Konzept eines irrealen Nichts jenseits des Seins impliziere, ist von rein menschlicher Natur und reicht nicht an das wahre, präphänomenale Sein heran. Dieser Art lassen sich weder Kontinuität noch Diskontinuität noch diskontinuierliche Kontinuität dem Sein zuordnen und das Für-sich ist in seinem Sein als Existenz, welches es selbst begründet, radikal davon getrennt, da sich sogar sein Körper rein psychisch als bloß Erkennendes oder Erkanntes darstellt (vgl. Sartre 2020, S. 400). An-sich und Für-sich werden zwar unter dieselbe Seinsrubrik gestellt, das Für-sich entgeht dieser in seiner transzendenten Selbstbestimmung jedoch völlig.

Aus dieser Darstellung haben sich nun im Verlaufe der Analyse einige Schwierigkeiten ergeben. Der Übergang von Intuition zu Intention sollte sich aus der Negation der Intuition ergeben, ohne dass jedoch die Intuition Anlass für die Intention bilden konnte, da darin noch kein zu erfassendes Einzelnes vorlag. Dies allein wäre noch eine bloße Unterlassung in der Ausführung und nicht an sich ein Problem, die strikte Trennung von Erkennendem und Erkanntem hat jedoch die Unmöglichkeit ergeben, dass die Intention nicht durch etwas anderes als das Erkennende begründet werden könnte. Die Zwischenexistenz der externen Negation erklärt sich so aus der Ermangelung eines Vermittlungsglieds vom nichtenden zum geseinten Nichts, damit der Erkenntnis zwar eine Wahrheit des Phänomens zugestanden werden kann, ohne sie wieder zum Primat der Erfahrung zu erheben. Die Konsequenzen daraus haben sich in der Erforschung der Intersubjektivitätstheorie deutlich gemacht. Das Abstreiten einer gemeinschaftlichen Bewusstseinsebene barg in der Ablehnung der idealistischen Position denselben Grund wie für das Ausschlagen einer Seinsgleichheit von Für- und An-sich. Dass daraus nun eine äußerst pessimistische Auffassung für die Selbst- und Fremderkenntnis entsteht, soll hier nicht gegen die Theorie sprechen, dass darin allerdings der Andere durch das Phänomen als Subjekt impliziert werden soll, was sich dem Bewusstsein aber nur innerhalb der nicht-subjekthaften Totalität oder als vereinzeltes Objekt darstellen kann, stellt das ganze ontologische System infrage. Auch den Solipsismus schlichtweg als unhaltbare Position abzutun, kann nicht über den gedanklichen Sprung hinwegtäuschen, durch den der Andere hier als Bewusstseinsfaktum erscheint (vgl. Sartre 2020, S. 454).

 

4.2. Überschreitung auf das absolute Nichts

Nishidas Position ist nun eine explizit idealistische, da er das Bewusstsein selbst zur Realität erhebt. Wie sich aber anhand der Ausführungen über die widersprüchliche Logik herausgestellt haben sollte, ist darin nicht gleichzeitig die Ablehnung des Realismus zu sehen, was den Schluss zulässt, dass Nishidas Lösung des Erkenntnisproblems der Kritik Sartres an den idealistischen Positionen seiner Vordenker wie auch der Kritik Langes entgeht. Zwar hat Sartre ebenso erkannt, dass der Realismus in seiner Zuspitzung „notwendig beim Idealismus endete“ (Sartre 2020, S. 420) und der Idealismus „in dem Maß, wie sie die solipsistische Hypothese zurückweist, bei einem dogmatischen und total ungerechtfertigten Realismus“ (ebd.), zog daraus aber nicht den Schluss, dass beide Positionen in der anderen aufrechterhalten bleiben können. Das absolute Nichts erlaubt es nun, eine umfassende Einheit von Sein und Nichts zu denken, ohne diesen Dualismus dabei aufzulösen und somit ein tatsächliches, nicht-relatives Absolutes darzustellen. Es ist in der Weise substanzlos, dass es nicht mehr einer Substanz gegenübersteht, sondern widersprüchlich Akt und Gegenstand umfasst und zugleich nur aufgrund dieser besteht, wohingegen das Bewusstsein in Sartres Konzeption im Akt des cogito besteht, wodurch es nicht nur eine Bestimmung als Leere von Sein erhält, es verfügt zudem über zwei unterschiedliche Potenzen, die Intuition und die Intention, die es weiter als substanzielles Sein ausweisen. Auch wenn beide Modi nur zusammen auftreten, wird hier dennoch in ihrer Wirkung und ihrem Gegenstand unterschieden. Dies steht im Kontrast zu der Funktion von Intuition und Intention in der Anschauung, deren Wirkung als unterschiedliche aber nicht prozessual getrennte Ansicht desselben Gegenstandes ausgelegt wird. Darin zeigt dieser sich nun widersprüchlich substanziell und substanzlos. Wenn das Sein des Gegenstands also in das Bewusstseinsfeld gehoben wird, resultiert daraus keine Auflösung ihres Gegensatzes, vielmehr besteht er auf diesem Grunde. Auch scheint darin die Transluzenz des Bewusstseins erhalten zu bleiben, da auf Ebene des absoluten Nichts noch keine Substanz zu denken ist und das Subjekt in seiner Vereinzelung den opak gebildeten Gegenstand aus sich ausschließt. Damit wäre der Primat der Erkenntnis aufgehoben, ohne das Sein der Erkenntnis vom Sein des Erkannten zu trennen.

Es lässt sich also feststellen, dass das absolute Nichts die Probleme, die aus der unipolaren Dialektik des Für-sich entstehen, lösen könnte, wenn man gewillt wäre, anzunehmen, dass auch das An-sich sich in einer Weise negiert und ein non-identitäres bezügliches ist. Eine ähnliche Ebene findet sich auch in Sartres Analyse des Für-sich in der externen Negation wieder, die sich diesem durch die Intention als Indifferenzexteriorität entdeckt, die weder dem An-sich noch dem Für-sich zugehöre. Nimmt man nun aber mit der Ortlogik an, dass diese Ebene bereits ein geseintes Nichts ist, das aus der widersprüchlich zugleich stattfindenden Dialektik zwischen Gegenständen und Ort der Anschauung hervorgegangen ist, dann ließe sie sich als Teil des gegenseitigen Ausdrucks von Subjekt und Objekt in der bestimmten Wahrnehmung denken. Nishida beschreibt die Intention derart als „Kraftlinie auf der Ebene des Bewusstseins“ (Nishida 1999a, S. 132). Die Möglichkeit dieser Integration beider Systeme spiegelt sich auch in ihrer bildlichen Darstellung wider. Die Befindlichkeit in sich ist ja ebenfalls ein Modus der Anwesenheit bei sich, allerdings innerhalb eines gemeinsamen Ortes. So lässt sich das Linienbeispiel innerhalb der Kreismetapher wiedererkennen. Die Trennung der Kurven aus einer Linie, in der ihre Berührung als Totalität erscheint, würde sich als Überlagerung zweier Orte im peripherielosen Kreis und damit ebenso als Annäherung zu ihrem Grund beschreiben lassen. Mit dieser Modifikation würde die interne Negation der Ort des Nichts der externen und das Erkannte sich zeigen wie es ist, als widersprüchlich diskontinuierliche Kontinuität. Da es sich auch bei der internen Negation noch um einen bestimmten Ort handeln würde, zeigt sich die widersprüchliche Dialektik bloß prozessual, wodurch entweder Einzelding oder Totalität in den Vordergrund tritt. Auf phänomenaler Ebene zeigt sich daher wenig Unterschied zwischen beiden Theorien, Sartres Ontologie wurde aber um eine mulogische Basis erweitert. Derart erklärt sich das vor-ontologische Verständnis des Seins des Phänomens und der Existenz der Erkenntnis. Auch der Andere stellt sich daher nicht länger als indirekt als Subjekt oder direkt als Objekt dar, sondern direkt als Subjekt-Objekt gegenüber dem Subjekt-Objekt des Selbst und indirekt als Subjekt oder Objekt.

Was bedeutet diese Integration nun für die Möglichkeit der Authentizität des Individuums? Die Freiheit wird in Das Sein und das Nichts als rein individuelle Wahl ausgelegt. Es ist die Übernahme des Seins, die es zwar zu sein hat, jedoch allein durch sich selbst (vgl. Sartre 2020, S. 950 f.). In ihrer Unabhängigkeit von ihrem nicht zu rechtfertigendem Sein scheint sie nahezu arbiträr, darin drückt sich jedoch gleichsam eine radikale Selbstbestimmung aus. Die Authentizität zeigte sich damit im Beweisen seiner Freiheit gegenüber einem objektifizierten Anderen oder aber der Kompression der Freiheit durch den Subjekt-Anderen, in der nur noch die Möglichkeit besteht, sein Selbst als Objekt zu übernehmen. Authentizität nach Sartre ist also nur durch den Anderen möglich, aber dennoch ein ausschließlich persönliches Anliegen. Die Paradoxie darin, die authentische Selbsterfassung einer widersprüchlichen Existenz in ihrer epistemischen, aber nicht ontologischen Identität zu sehen, wurde bereits herausgestellt (s.o., S. 24). Doch selbst wenn die Konzeption der Freiheit die Authentizität in den Rahmen des Unerreichbaren projiziert, bleibt sie in jedem Moment souveräne Verantwortung für sich unmittelbar gegenüber dem Anderen. So weist er darin jede Vorstellung einer göttlichen Schöpfung ab, in der sich das Ich und der Andere durch etwas anderes als ihren freien Bezug wissen könnten. Er geht hierbei auch spezifisch auf pantheistische Theorien ein. Gott als Eins mit dem Selbst und mit dem Anderen ließe kein Einzelnes mehr zu und als Geschaffenes wäre das Sein darin derart vereinzelt isoliert, dass es nur noch in Exteriorität zum Anderen beziehungsweise zum Schöpfer stehen könnte, „so wie ein Bildhauer mit der fertigen Statue“ (Sartre 2020, S. 423). Würde der Bezug wiederum als creatio continua gedacht, „bleibe ich immer in der Schwebe zwischen einer besonderen Existenz und einer pantheistischen Verschmelzung im Schöpfer-Wesen“ (ebd.). Theistische Erklärungen seien daher alleine nicht in der Lage, die unmittelbare Verbindung zum Anderen zu begründen.

Nishida setzt den freien Willen nun gerade als einen künstlerischen und schöpferischen Vorgang in dem Gott sich selbst negiert. Auch er greift dabei auf das Beispiel eines Bildhauers zurück, dessen Kunstwerk kein rein subjektives ist, sondern der in seiner Tätigkeit „Schlag für Schlag den objektiven Geist“ (Nishida 1999b, S. 180) anspricht. Diese Vorstellung kommt dem letzten Beispiel Sartres sehr nahe, bloß dass die Schwebe schnitthaft den ewigen Übergang zwischen Einzelnem und Allgemeinen, also das schöpferische Nichts betitelt. Da die Position Nishidas nun eine eher panentheistische Position anstatt einer pantheistischen ist, wird hier die Negation des objektiven Geistes durch das Individuum Ausdruck des Göttlichen (vgl. Nishida 1999c, S. 228). Auch wenn das Individuum sich also selbst bestimmt, bestimmt sich darin auch der es bestimmende Ort. Das Übersteigen seiner Bestimmungsebene zeigte sich ja als Erweiterung dieser. In dieser Weise wird die substanzielle Spur des freien Willens als ‚Sollen‘ verstanden (vgl. Nishida 1999a, S. 97). In Rekursion auf den buddhistischen Ursprung seiner Überlegungen weist er so die Primaten von Eigenkraft und Fremdkraft im Zen- und Jōdoshin-Buddhismus als zwei Seiten des Mahāyāna-Buddhismus aus, deren gegenseitiger Bezug das Werden von Buddha bedeutete (vgl. Nishida 1999c, S. 238). Der individuelle Wille wird damit in einem absoluten Willen verortet, der sich durch die Gesamtheit der individuellen Willen in ihm konstituiert (vgl. Nishida 1999c, S. 254). Daraus geht eine nicht-teleologische Auffassung Gottes als Geschichtlichkeit hervor; so kann nun auch das absolute Nichts als idealer Standpunkt so verstanden werden, worin das Stehenbleiben beim Standpunkt dieses Nichts undenkbar ist, da er in der Bewegung selbst eingenommen wird (vgl. Nishida 1999c, S. 234 ff.). Die begriffliche Geistesebene ist notwendiger Teil dieser Bewegung, die Authentizität ist demnach der Modus in dem sich das Bewusstsein immer schon erfasst, solange es nicht bei einer Auffassung von oder (von) sich stehenbleibt. Die Freiheit bleibt dem Individuum dabei erhalten, zeigt sich jedoch zwischen ihm und der Gemeinschaftsebene und ist damit nicht länger ein rein persönliches Anliegen, sondern ein gegenseitiges Wirken. So heißt es, „vor der Freiheit als Akt liegt die Freiheit als ‚reiner‘ Vollzug“ (vgl. Nishida 1999a, S. 91) Mit Sartre ist an dieser Stelle jedoch festzuhalten, dass die Einführung des Göttlichen in dieses Konzept der Beziehung von Subjekten zueinander nichts hinzufügt. Eine gemeinschaftliche Ebene in dieser Weise ließe sich ebenso gut in atheistischer Auffassung der unmittelbaren Beziehung von Ich und Anderer unterstellen, auch wenn sie rein phänomenologisch nicht belegbar sein sollte.

Es scheint, dass dies auch Sartre erkannt hat, der in späteren Schriften die Authentizität in der Sprache in Aussicht stellt. In seinem Werk Was ist Literatur (1948) ist es die Freiheit des Autors/der Autorin, die an die Freiheit der konkret-allgemeinen Leserschaft appelliert, das Geschriebene zur Existenz zu formen, worin der Versuch steckt, sich selbst durch den Anderen als Subjektivität zu entdecken (vgl. Sartre 1986, S. 41). Er zeichnet von da die Verhaltensweisen des Für-sich zu seiner Faktizität und Transzendenz in den literarischen, klassizistischen Traditionen der vorigen Jahrhunderte nach (vgl. Sartre 1986, S. 66 ff.). Als Ausblick zeigt er jedoch die Möglichkeit auf, in einer klassenlosen Gesellschaft „könnte der Schriftsteller erkennen, dass es keinerlei Unterschied zwischen seinem Sujet und seinem Publikum gibt“ (Sartre 1986, S. 120). Er spiegelt sich demnach in seiner Leserschaft und diese in ihm wider. So heißt es weiter:

„Damit wäre die literarische Antinomie zwischen lyrischer Subjektivität und objektivem Zeugnis überschritten. In demselben Abenteuer wie seine Leser engagiert und wie sie in einer ungespaltenen Kollektivität situiert, würde der Schriftsteller, wenn er von ihnen spricht, von sich selbst sprechen und wenn er von sich spricht, von ihnen sprechen.“ (ebd.)

In der Sprache scheint also das Werkzeug des authentischen Ausdrucks gegeben, deren Form sich auf einem Spektrum subjektiver und gegenständlicher Bedeutung bewegt (vgl. Sartre 1986, S. 24 f.). In einem Umfeld, das die Freiheit seiner Individuen vollends ermöglicht, ließe sich die Literatur also als gemeinschaftliche geistige Ausdrucksebene denken, die sich als „Skizze einer zukünftigen Ordnung“ (Sartre 1986, S. 122) versteht und derart seine eigene Überschreitung ist.

 

5. Conclusio

Es bliebe nun noch, die Entwicklung dieser atheistischen Anwesenheit der Subjekte füreinander in Sartres späteren Werken nachzuziehen. Im gleichen Zuge scheint eine Untersuchung von Nishidas Position in der Entwicklung des Denkens der Kyoto-Schule und in stärkerem Kontrast zu den buddhistischen Konzepten, die er zugrunde legt, interessant, um zu sehen, welche Auswirkungen auf die moralische und politische Philosophie aus diesen unterschiedlichen Interpretationen des Nichts des Bewusstseins erwächst. Für jetzt soll jedoch bei der generellen Möglichkeit der Integration dieser Konzepte innegehalten werden. Es hat sich gezeigt, dass das Nichts, das Sartre als nicht-substanzielle Leere gegenüber einer Fülle identischen Seins auslegte, noch in einem widersprüchlichen Nichts verortet werden kann, welches ihren Bezug ermöglicht, ohne ihnen gegenüberzustehen. So lässt sich die Anwesenheit des Selbst bei der Welt aufgrund einer Befindlichkeit von Welt und Selbst in sich als Ort denken. Dieser Ort bleibt eine metaphysische Annahme, die sich nicht allein aus ihrem religiösen Phänomen begründen kann. Eine solche Phänomenologie kommt wohl nur bis zur Evidenz des widersprüchlichen Selbst. Dennoch spricht viel für die Wichtigkeit dieses Ortes, durch den die Realität sich selbst widersprüchlich wird. Darin scheint eine Brücke zwischen Realismus und Idealismus geschlagen zu sein, die nicht doch wieder durch die Hintertür ganz dem einen oder anderen Ufer verfällt und Subjekt und Objekt der Erfahrung unmittelbar zu vermitteln vermag.

So soll sich hiermit herausgestellt haben, dass das Selbstbewusstsein, welches als widersprüchliche Identität mit sich in sich einer widersprüchlichen Identität gegenübersteht, und darin Identität von Sein schafft, plausibel der Konzeption des Für-sich voranzugehen vermag und somit die Sartre'sche Phänomenologie in einer Mulogie statt einer Ontologie gründend auffängt und dahingehend transformiert, dass widersprüchlich Intention und Intuition in einer negierend-bejahenden Bewegung verortet werden können. Darin lässt sich die Kraft des Bewusstseins intelligibel machen, gleichzeitig Objekte zu erkennen und Subjekte zu erfassen und vom Einen ins Andere überzugehen. Womöglich könnte man hierin eine Rechtfertigung der Hyle Husserls auf Grundlage der Widerspruchslogik sehen, die es schafft, die „opake Resistenz der Dinge und die Subjektivität des Denkens“ (Sartre 2020, S. 32) in einem Gegenstand zu vereinheitlichen, ohne ihn ad absurdum zu führen. Ob die Auffassung des Ortes, der Sein und Nichts enthält, nun selbst wieder als Nichts bezeichnet werden kann, lässt sich wohl bestreiten, in jedem Fall ließe es sich wohl aber nicht mehr als Sein begreifen. Selbstidentität im Sinne des Zusammenfallens mit seinem Sein oder Nichts ist am Ende dieser Untersuchung immer noch ein unerreichbares Ideal, aber es ist nicht mehr der absolute Wert des Selbstbewusstseins. Die Selbsterkenntnis hat sich als ein Element des Selbstgewahrens herausgestellt und das unmögliche Ziel der Gottwerdung ist in dem immerwährenden Werden des Göttlichen aus sich selbst heraus aufgefangen. Das Selbst ist sich selbst identisch, solange es non-identitär ist. Es ist authentisch, wenn es nicht mit sich zusammenfällt, beziehungsweise, es fällt mit sich zusammen, wenn es sich von sich trennt. Die Realität des Bewusstseins ist darin durchaus noch eine menschliche, aber das Menschliche findet sich in der Realität selbst wieder.

Damit ist lange noch nicht alles über das Nichts gesagt, was gesagt oder nicht gesagt werden kann und selbst das Behandelte konnte nur Holzschnittartig dargestellt werden. In Rekurs zur Ausgangsdebatte um das Nichts ließe sich also wohl Carnap zustimmen, dass jede Aussage über das Nichts notwendig in logische Aporien gerät und gleichzeitig können wir Heidegger darin zustimmen, dass es dennoch Wert ist, über dieses Nichts zu reden, wenn man das Sein verstehen will. Gerade in diesem Zwiespalt zeigt sich die widersprüchliche Entsprechung von Erfahrung und Erkenntnis, von Sein und Nichts, und die ständige Überschreitung von Aussage und Ausgesagtem, die die substanzlose Basis bildet für alles das, was Sein ‚ist‘.v

 


1 Auch Descartes, Kant, Marx, Bergson u.v.m. gehören zu den gemeinsamen Einflüssen, während Sartre zudem auf einige psychoanalytische Positionen Bezug nimmt und Nishida auf buddhistische Vordenker wie Daitō und Shinran zurückgreift, im Rahmen dieser Arbeit musste sich aber auf die genannten Personen beschränkt werden (vgl. Nishida 1999a, S. 100; 1999b, S. 155, 170; 1999c, S. 228 ff.; vgl. Sartre 2020, S. 36, 956, 1007).

2 Mu, Japanisch für das Nichts, besteht nur aus einem Zeichen (無) und ist somit gesondert von der bloßen Negation von Sein, dem Nicht-Sein, zusammengesetzt aus den Zeichen für hi und u (vgl. Davis 2019, S. 18).

3 Ebenso wichtig ist wohl, das ‚Bewusstsein überhaupt‘ in der Transzendentalphilosophie Kants hervorzuheben, was Nishida als Übergangstor zwischen absolutem und bestimmtem Nichts auffasst. Dieser Umstand scheint sich aber durch das hypokeimenon besser zu erklären, weshalb es im Rahmen dieser Arbeit ausgelassen wird (vgl. Nishida 1999a, S. 95).

4 Die Begriffe chokkan oder chokkaku lassen sich sowohl mit ‚Anschauung‘ als auch mit ‚Intuition‘ übersetzen (Nishida 1999b S.287).

5 ‚Widerspruch‘ wird an dieser Stelle durchaus im Sinne Hegels verstanden, und bezeichnet so eine gegenseitige Negation, die sich in einem vereinigenden Gegenstand synthetisch aufhebt (vgl. Hegel 1988, S.4; Nishida 1999a, S. 123).

6 Das japanische shugo zeigt hier ausdrücklich die grammatische Funktion von Subjekt an entgegen dem abstrakten persönlichen Subjekt shukan (vgl. Nishida 1999a, S. 76; Nishida 1999c, S. 305).

7 Ursprünglich zitiert aus: Immanuel Kant (1998): Kritik der reinen Vernunft, B 531.

8 Das zugleich an dieser Stelle drückt den dauerhaften Übergang zweier widersprüchlicher Elemente aus, die dadurch ihre Bedeutung erst gänzlich erlangen. Der Begriff ist dem Herz-Sutra entnommen und in Nishidas Dialektik eingegliedert (vgl. Nishida 1999b, S. 310).

9 Nishida setzt das Du in diesem Zusammenhang mit dem Nicht-Ich Fichtes gleich, welches er noch im Aufsatz Ort zu dieser Erklärung heranzog (vgl. Nishida 1999b, S. 198).

10 Dieser Begriff ist weder Sartre noch Nishida zuzuordnen, doch gerade im Kontrast ihrer Intersubjektivitätstheorien scheint darin der ausschlaggebende Unterschied beider Positionen auf den Punkt gebracht zu sein.

11 Er spezifiziert an dieser Stelle nicht, in welcher Begriffstradition er die Hexis versteht, sieht darin jedoch ausdrücklich eine „entstandene zweite Natur“ (Sartre 2020, S. 1089) des Objekts.

 

Literaturverzeichnis

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Autor:in: Vincent Grob studiert seit 2016 an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, derzeit im Zweifach-Master of Education in den Fächern Philosophie und Anglistik, mit besonderem Forschungsschwerpunkt auf phänomenologischen und existenzphilosophischen Fragestellungen. Die Auseinandersetzung mit Nishida Kitarō bildet den Ausgangspunkt für weitere Projekte zur Explikation und Annäherung westlicher und östlicher Denktraditionen.

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