Hilmar Schmiedl-Neuburg
Y – Z Atop Denk 2021, 1(11), 1.
Abstract: Hans-Georg Gadamers Werk Wahrheit und Methode (1990 [1960]) gilt als das wichtigste Werk der Hermeneutik im 20. Jahrhundert. Die Daseinsanalyse als Psychotherapie hingegen entstand aus der Verschmelzung der Psychoanalyse Sigmund Freuds und der Daseinsanalytik Martin Heideggers. Vor diesem Hintergrund geht der Aufsatz der Frage nach, ob auch das philosophische Werk des bedeutendsten Heideggerschülers, Hans-Georg Gadamer, sich für die daseinsanalytische Psychotherapie fruchtbar machen lässt. Im Rahmen des Aufsatzes werden daher im ersten Teil die Grundzüge der gadamerschen philosophischen Hermeneutik vorgestellt und im zweiten Teil ihre Bedeutung für die daseinsanalytische Psychotherapie exploriert.
Keywords: Gadamer, Hermeneutik, Daseinsanalyse, Psychoanalyse
Veröffentlicht: 24.11.2021
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1. Einleitung
Hans-Georg Gadamers opus magnum Wahrheit und Methode (1990 [1960]) gilt als das bedeutendste Werk der Hermeneutik im 20. Jahrhundert. Mit ihm wurde die Hermeneutik neben ihrer Schwesterdisziplin der Phänomenologie, sowie der Kritischen Theorie, dem Post-strukturalismus und der analytischen Philosophie zu einer der Hauptströmungen der modernen Philosophie und Gadamer zu einer zentralen Gestalt der philosophischen wie der geisteswissenschaftlichen Diskussion.
Im Rahmen dieses Aufsatzes möchte ich in einem ersten Schritt die Grundzüge der gadamerschen philosophischen Hermeneutik vorstellen und in einem zweiten ihre potentielle Bedeutung für die daseinsanalytische Psychotherapie explorieren. Die Motivation für eine solche Exploration liegt in der Ursprungsgeschichte der Daseinsanalyse als einer Form der Psychotherapie, denn diese entstand, angestoßen durch Ludwig Binswanger und dann entfaltet und auf neuen Boden gestellt durch Medard Boss, aus der Amalgamierung der philosophischen Daseinsanalytik Martin Heideggers und der Psychoanalyse Sigmund Freuds. Vor diesem Hintergrund daseinsanalytischer Psychotherapie stellt sich die Frage, ob und inwiefern auch das Werk des bedeutendsten und zugleich eigenständigen Schülers Heideggers, Hans-Georg Gadamer, in daseinsanalytisch-therapeutischen Kontexten eine Anwendung finden kann.
2. Die Hermeneutik Hans-Georg Gadamers
Da aus Gadamers Sicht ein Werk des Verstehens aus seiner Vor- und Wirkungsgeschichte bedürftig ist, seien einige Bemerkungen zur Geschichte der Hermeneutik und Gadamers Ort in ihr vorausgeschickt. Die sich wohl von Hermes, dem Götterboten und Dolmetsch zwischen Menschen und Göttern, ableitende Auslegungskunst, die Hermeneutik (von gr. ἑρμηνεύειν), findet ihre ersten Entfaltungen bereits in der Antike in den allegorischen Auslegungen der klassischen Werke Homers1, doch erst in der Epoche von der Renaissance bis zur Aufklärung konstituiert sie sich in ausgearbeiteter, entfalteter Gestalt. Der renaissance-humanistischen Liebe zu den Sprachen, den wiederentdeckten alten im Sinne des ad fontes, wie den neuen Volkssprachen, verdankt sich die philologische Hermeneutik, während die Reformation mit der Losung der sola scriptura die theologische Hermeneutik und die zunehmende frühbürgerliche Verrechtlichung die juristische Hermeneutik gebiert. Allerdings waren diese alten Hermeneutiken noch daraufhin orientiert, lediglich dunkle, unverständliche Textstellen auszuleuchten, während davon ausgegangen wurde, dass der Text im Allgemeinen sich von sich selber her verstehe (Gadamer 1990 [1960], 177–188).
Dieses hermeneutische Selbstverständnis wandelt sich radikal mit dem Werk Friedrich Schleiermachers. Im Gefolge der herder-humboldtschen Sensitivität für die erkenntniskonstituierende Rolle der Sprache transformiert Schleiermacher die Hermeneutik zu einer Weise des Verstehens aller Texte in ihrer Gesamtheit, nicht nur einzelner dunkler Textstellen. Im Rahmen seiner grammatischen Auslegung gilt es, den Text in seiner objektiven Dimension im Kontext der Sprache zu verstehen, im Rahmen der psychologischen Auslegung, ihn per Einlebung in das Leben und die Psyche seines Verfassers zu deuten (Gadamer 1990 [1960], 188–201). Im Rahmen des Historismus des 19. Jahrhunderts, insbesondere in den Werken Leopold von Rankes und Johann Gustav Droysens, findet die Hermeneutik nun ihre Anwendung auf die geschichtlichen Phänomene, um eine Epoche, so der Wahlspruch des Historismus, „besser zu verstehen, als sie sich selbst verstanden hat“. Die historischen Zeugnisse seien aus dem Ganzen ihrer Epoche und die Epoche aus ihren einzelnen Zeugnissen zu verstehen (Gadamer 1990 [1960], 201–222). Wie schon bei Schleiermacher bewegt sich die Hermeneutik hier im hermeneu-tischen Zirkel, verstanden als Bewegung zwischen Ganzem und Teil. Wilhelm Dilthey nimmt diese Tendenzen auf und formiert die Hermeneutik als methodische Grundlage aller Geisteswissenschaft. Alle kulturellen Werke sind ihm Ausdrucksgestalten des Lebens, deren Verstehen nur auf hermeneutischem Wege im Rahmen des hermeneutischen Zirkels vonstattengehen kann (Gadamer 1990 [1960], 222–246). Der Neukantianismus Wilhelm Windelbands und Heinrich Rickerts komplettiert diese Gedanken durch die Akzentuierung der individualisierenden Ideographie als Methode der Geisteswissenschaft im Unterschied zur naturwissenschaftlichen generalisierenden Nomothetik.
Im 20. Jahrhundert nimmt Martin Heidegger diese Perspektive Diltheys, d.h. der Hermeneutik als Verstehen des Ausdrucks des Lebens, auf, versteht das Verstehen aber nun nicht mehr als methodische Grundlegung der Geisteswissenschaften, sondern als Existential des menschlichen Lebens oder Daseins schlechthin (Heidegger 2006). Die Hermeneutik wird so, nun verbunden mit der Phänomenologie, in Heideggers Sein und Zeit als phänomenologische Hermeneutik zur Hermeneutik der Faktizität, zur auslegenden Analyse des Daseins, und das Verstehen, als Existential, zu einer Seinsweise des Menschen schlechthin (Gadamer 1990 [1960], 258–269).
Gadamers Hermeneutik baut auf diesen Überlegungen auf, indem sie zum einen durch Rückgriff auf die vorschleiermachersche Hermeneutik Probleme der Hermeneutik des 19. Jahrhunderts korrigiert, gleichzeitig aber deren historisches Bewusstsein und den hermeneutischen Zirkel in sich bewahrt, und zum anderen, vermittels der Gedanken Heideggers, das Verstehen als menschliche Grundverfasstheit begreift und doch dieses, mit dem 19. Jahrhundert, als Boden der Geisteswissenschaften entbirgt.2
Vor diesem Hintergrund ist auch Gadamers Kritik der Auffassung der Hermeneutik als einer Methode zu verstehen (vgl. u.a. Gadamer 1990 [1960], 9–15). Bereits die vorschleiermachersche Hermeneutik, dann aber besonders Schleiermacher selbst charakterisierte die Hermeneutik als Methode und bei Dilthey wird sie gar zur methodischen Grundlegung aller Geisteswissenschaft. Auch im 20. Jahrhundert setzt sich diese Tendenz, die Hermeneutik als eine Methode der Textauslegung aufzufassen, vornehmlich in der literaturwissenschaftlichen Hermeneutik fort. Gadamer pflichtete Dilthey zwar bei, dass die Hermeneutik der Boden der Geisteswissenschaften sei, bestritt aber, dass es sich dabei um eine Methode handele, da er mit Heidegger Verstehen als Existential, Hermeneutik also daseinsanalytisch als Seinsweise des Menschen und als sich ereignendes Geschehen begreift.
Seine Kritik an der Konzeption der Hermeneutik als Methode fußt dabei, neben dem Bezug auf Heidegger, vornehmlich auf Aristoteles (Gadamer 1990 [1960], 317–329). Auch wenn die Hermeneutik viele Ähnlichkeiten mit der poiesis (ποίησις) und ihrer techne (τέχνη), der Handwerkskunst, hat, handele es sich bei ihr doch eher um eine praxis (πρᾶξις), der mithin auch nicht eine techne (τέχνη), sondern die phronesis (φρόνησις) als Wissensform korrespondiere. Gadamer geht damit über eine ebenfalls aristotelisch inspirierte Kritik der Art oder Weise der geisteswissenschaftlichen Methode hinaus, die, eingedenk des Aristoteles Diktum, dass der Gegenstand seine Methode bestimmen müsse, statt umgekehrt, den Gebrauch naturwissenschaftlicher Methodik in den Geistes- und Kulturwissenschaften kritisiert. Denn wenn auch Verfahren einer gegenstandsangemessenen techne (τέχνη) durchaus einen Ort in der Praxis der Hermeneutik haben, handele es sich bei dieser doch nicht um eine Technik oder Methode, sondern um eine Vollzugsform des menschlichen Seins, so Gadamer, der statt der techne (τέχνη) oder auch, theoretischer, der episteme (ἐπιστήμη), eben die phronesis (φρόνησις) zuzuordnen ist. Denn die phronesis (φρόνησις), die praktische Klugheit oder Lebensweisheit, ist nicht auf einen bestimmten Lebensbereich, sondern auf das Gelingen und Glücken des Lebens als Ganzem gerichtet und bestimmt als Tugend und Haltung das gekonnte Umgehen mit den Umständen des Lebens und den konkreten Erfordernissen jeder Situation (vgl. Aristoteles 1983). Soweit die Hermeneutik verstehender Vollzug des menschlichen Seins ist, ist sie aristotelisch praxis (πρᾶξις) und der phronesis (φρόνησις) bedürftig.
Doch wie gestaltet sich dieser verstehende Vollzug menschlichen Seins? Gadamer expliziert in Wahrheit und Methode (1990 [1960]) die hermeneutische Situation am klassischen Beispiel der Interpretation des Textes eines Werkes (vgl. Gadamer 1990 [1960], 270–384; zu einem begleitenden Kommentar zu Wahrheit und Methode insgesamt vgl. Figal 2011), wenngleich er deutlich macht, dass diese Analyse, mutatis mutandis, genauso für das zwischenmenschliche Gespräch wie für jede andere Auslegungssituation, etwa die Deutung von Kunstwerken oder historischen materiellen Zeugnissen, ihre Gültigkeit hat.
Gadamer nimmt zur Grundcharakterisierung der hermeneutischen Situation den Gedanken des hermeneutischen Zirkels auf, interpretiert diesen allerdings auf radikal neue Weise (Gadamer 1990 [1960], 270–281). Zwar bestreitet er nicht die Sinnhaftigkeit des Verstehens des Teiles aus dem Ganzen und des Ganzen aus den Teilen, doch ereignet sich der eigentliche hermeneutische Zirkel für ihn auf einer anderen Ebene, nämlich im Verhältnis von Interpreten und Text. Wenn wir an einen Text herantreten, um ihn zu verstehen, geschieht dies aus einem Vorverständnis und einem Erwartungshorizont heraus, was der Text wohl sagen wird. In der auslegenden Auseinandersetzung mit dem Text werden manche dieser Erwartungen und Vorurteile bestätigt, manche modifiziert, manche gänzlich enttäuscht. Hierdurch verändert sich unser Verstehen des Textes. Wenn wir uns dann dem Text erneut zuwenden, geschieht dies mit einem veränderten Vorverständnis und auch in der erneuten Auseinandersetzung mit dem Text verändert sich dieses Verstehen wiederum, wie einem jeden aus der eigenen Leseerfahrung vertraut sein dürfte. Dieses zirkuläre Verstehen des Textes aus dem Vorverständnis und der Veränderung des Vorverständnisses durch die Exegese des Textes bildet das Schema des gadamerschen hermeneutischen Zirkels.
Heideggers Gedanken einer Vorstruktur des Verstehens aufnehmend (Gadamer 1990 [1960], 270–276), weist Gadamer die, zuweilen in der Phänomenologie auftretende Idee eines qua missverstandener Epoché, also der Einklammerung allen Vorwissens, scheinbar vorurteilsfreien, gleichsam jungfräulichen Herantretens an den Text als naiv zurück, auch wenn dieses Vorgehen als technisches Moment hier und da seine hermeneutische Berechtigung haben mag, und redet stattdessen der reflektierenden Analyse dieser Vorstruktur des Verstehens das Wort. So thematisiert Gadamer etwa den Vorgriff der Vollkommenheit3 (Gadamer 1990 [1960], 299), also die bis zu einer Enttäuschung gültige hermeneutische Vorannahme, dass ein Text eine Sinneinheit und Sinnganzheit darstellt, ebenso wie die Rolle von Vorurteilen. Gegen das Vorurteil gegen alle Vorurteile, das die Aufklärung hegte (Gadamer 1990 [1960], 275–281), weist Gadamer auf den unentschiedenen Charakter von Vorurteilen hin, dass diese also ebenso wahr wie falsch sein können, und dass wir ihrer auch nie zu entraten vermögen, da eine Identifikation falscher und wahrer Vorurteile nicht durch Auslöschung aller Vorurteile, sondern nur durch ihre Bewährung oder Enttäuschung am auszulegenden Text geschehen kann. Ähnliches gilt für autoritative Stellungnahmen zu dem zu Verstehenden, etwa in Form des Urteils von Fachleuten, denen sinnvollerweise, zumindest bis zu einer Korrektur dieser Urteile am Text, ein Glaubwürdigkeitsvorschuss gebührt, da eine Fachautorität es in der Regel besser weiß (Gadamer 1990 [1960], 281–290).
Doch nicht nur die Vorstruktur des Verstehens findet Gadamers Aufmerksamkeit. Im Rahmen der phänomenologisch-hermeneutischen Analyse der hermeneutischen Situation wird auch die Rolle des Abstandes, z.B. des Zeitenabstandes, und damit der Andersheit und der Differenz deutlich (Gadamer 1990 [1960], 296–305). In der Enttäuschung vieler meiner Vorurteile am Text, ihrem Zuschande-werden an seiner Eigenheit, wird seine unerwartete Differenz zu dem von mir Erwarteten und Vorverstandenen deutlich, und, insoweit dieses Erwartete und Vorverstandene in der Regel zugleich das Vertraute ist, führt mir der Text seinen Abstand und seine Differenz zu mir und seine andersartige Fremdheit vor Augen. Aus Gadamers Sicht wird dieses Phänomen vornehmlich bei Texten auftreten, die sich durch einen großen Zeitenabstand von mir auszeichnen, der meist eine große epochal-kulturell-sprachliche Differenz mit sich bringt. Im Rahmen dieser Begegnung werden so meine zeitgebundenen Vorurteile enttäuscht, während andere sich über den Abstand hinweg bewähren.
Den hermeneutischen Umgang mit der Differenz und der Andersheit des Textes gießt Gadamer in die Begrifflichkeit des Horizontes (Gadamer 1990 [1960], 305–311). Der Horizont umschreibt das, was von einem Standpunkt aus, etwa einer bestimmten geschichtlichen Epoche oder kulturell-sprachlichen Welt, denkbar und wie dieses denkbar ist. In der hermeneutischen Zirkelbewegung entwirft der Interpret den geschichtlichen, einschließlich des sprachlich-kulturellen, Horizont, in welchem das Werk geschrieben wurde und versucht, es aus diesem heraus zu verstehen. Doch kann dieses Verstehen sich nicht einfach in diesen damaligen Horizont versetzen, sondern muss die Wirkungsgeschichte des Werkes in der Tradition ebenso wie die eigene Geschichtlichkeit berücksichtigen. Man kann ein Werk niemals wie ein Zeitgenosse lesen, sondern nur wie ein heutiger Leser, der sich, bewusst seiner geschichtlichen Heutigkeit, in das immer nur hier und heute rekonstruierte Dort und Damals versetzt. Im Entwerfen des Horizontes des Werkes, entwerfen wir, so Gadamer, zugleich in Differenz und Abhebung dazu unseren eigenen Horizont, und im damit bereits einsetzenden Verstehen werden diese beiden Horizonte miteinander verschmolzen und in dieser Horizontverschmelzung in ein verwandelndes Gespräch miteinander gebracht, so dass danach sich mit dem veränderten Verständnis des Textes zugleich auch das an der Differenz zum Text sich selbst neu und anders erkannte Selbstverständnis des Interpreten gewandelt hat.
Doch was genau wird hier verstanden im Verstehen des Textes? Von besonderer Bedeutung für Gadamer ist, dass es im Verstehen nicht um eine symptomatische Interpretation geht, d.h. dass der Text nicht als verdeckter Ausdruck oder Zeugnis bestimmter Verhältnisse unbewusster, triebhafter, kultureller, sprachlicher, geschichtlicher, sozialer oder politisch-ökonomischer Art gedeutet wird. Eine solche Hermeneutik des Verdachts – ich verwende hier eine Wendung Paul Ricoeurs – hat aus Gadamers Sicht durchaus ihren Ort und ihren Sinn, doch handele es sich bei ihr um ein unechtes Verstehen. Stattdessen gilt es, Verstehen als ein Entbergen von Wahrheit aufzufassen, als griech. aletheia (ἀλήθεια). Die Wahrheit, die es zu entbergen und offenzulegen gilt, ist dabei die Wahrheit der Sache des Textes (vgl. Gadamer 1990 [1960], 302–303). Ein Text, so Gadamer, von manchen Textexperimenten literarischer Avantgarden abgesehen, erhebt implizit den Anspruch, Wahres zu sagen. Eine symptomatische Interpretation verweigert sich ab initio diesem Wahrheitsanspruch, da sie den Text nur als zu analysierenden Ausdruck, nicht aber als potentiell wahre Aussage begreift, auf deren offene Diskussion man sich einzulassen habe. Ein echtes Verstehen hingegen nimmt den Wahrheitsanspruch eines Textes ernst und setzt sich der Möglichkeit aus, dass der Text und nicht man selbst recht haben könnte.
Die Möglichkeit, dass ein Text nicht nur einen Wahrheitsanspruch erhebt, sondern, dass diese Wahrheit auch für den Interpreten, trotz einer vielleicht großen Differenz und Abständigkeit, z.B. in Form eines großen Zeitenabstandes, von Bedeutung und Gültigkeit sein könnte, liegt für Gadamer am Grund der Idee des Klassischen (Gadamer 1990 [1960], 290–296). Denn manche Werke, die man klassisch heißen wird, haben sich durch die Zeiten hindurch im Rahmen ihrer Wirkungsgeschichte bewährt und gezeigt, dass sie auch den Späteren etwas zu sagen haben; ja, zumindest im gleichen kulturellen Kontext, mag es sogar sein, dass sie subkutan wirkungsgeschichtlich das Selbstverständnis des Interpreten mitgestaltet haben, bevor dieser diesen Werken je direkt begegnete.
Doch die Wahrheit des Textes, gleich ob bei klassischen oder nichtklassischen Werken, ist keine allgemein-abstrakte. Die Wahrheit der Sache des Textes bedarf des Verstehens aus ihrem konkreten geschichtlichen Horizont, ihrem Sitz im Leben (Gadamer 1990 [1960], 312–317). Erst im passenden synthetischen Zusammenspiel der bestimmtkonkreten geschichtlichen, kulturellen, sprachlichen, triebhaften, politisch-ökonomischen und sozialen Kontexte wird die Sache des Textes deutlich und welche Stellung zu ihr der Text mit seinem Wahrheitsanspruch bezieht. Auf diese Weise berücksichtigt Gadamers Hermeneutik die Faktoren, die üblicherweise in einer symptomatischen Interpretation herangezogen werden, ohne allerdings, wie in einer solchen Hermeneutik des Verdachts, den Wahrheitsanspruch des Textes zu kassieren. Stattdessen wird dieser und mit ihm die Sache des Textes erst in dieser Konkretion seiner geschichtlichen Situation verständlich.4
Doch auch der Interpret muss sich, will er nicht nur unecht symptomatisch verstehen, auf den Wahrheitsanspruch des Werkes einlassen, d.h. sich von des Werkes Wahrheit ansprechen und sich von ihm etwas sagen lassen. Zum Verständnis dieses Wahrheitsanspruches bedarf es, wie ausgeführt, des Verstehens seiner geschichtlichen Situation, seines konkreten historischen Horizontes; allerdings ist dies nicht ausreichend und könnte nach wie vor auf den Weg der symptomatischen Interpretation führen, wenn nicht zugleich der Wahrheitsanspruch als erhobener Anspruch auf Wahrheit ernstgenommen wird. Dabei wird aber ein nur abstraktes Verstehen der Wahrheit der Sache eines Textes diesem, wie im Übrigen auch dem Interpreten, nicht gerecht. Stattdessen gilt es, im Entwerfen des eigenen wie des Werkhorizontes und ihrer Horizontverschmelzung, die Wahrheit eines Textes, seinen Anspruch, also das, was er mir als Interpreten zu sagen hat, im Rahmen meines eigenen, nun durch Horizontverschmelzung erweiterten Horizontes, d.h. meiner eigenen bestimmtkonkreten geschichtlichen Situation zur Anwendung zu bringen.
Gadamer verweist auf den Umstand, dass in der vorschleiermacherschen Hermeneutik die subtilitas applicandi ebenso selbstverständlich zur Hermeneutik gehörte wie die subtilitas intelligendi, das Verstehen, und die subtilitas explicandi, das Auslegen (Gadamer 1990 [1960], 312–313). Verstehen, Auslegen und Anwenden sind für Gadamer lediglich verschiedene Facetten ein und desselben hermeneutischen Prozesses.5 Das Anwenden der Wahrheit des Textes auf die bestimmtkonkrete Lebenssituation des Interpreten ist für Gadamer unausweichlicher Aspekt des Verstehens. Allerdings darf Anwenden hier nicht verstanden werden als die subsumierende Ein- und Unterordnung der konkreten einzelfallhaften Lebenssituation des Interpreten unter die allgemein-abstrakt aufgefasste Wahrheit des Textes, so wie man etwa arithmetische Regeln auf einzelne Rechenvorgänge anwendete bzw. mittels bestimmender Urteilskraft diese Rechenvorgänge als Fälle einer Rechenregel bestimmte. Die hermeneutische Anwendung bedarf dagegen nicht der bestimmenden, sondern der reflektierenden Urteilskraft im kantschen Sinne (Gadamer 1990 [1960], 36–40; 330–346), die allgemeine Wahrheit muss am konkreten Einzelfall und durch diesen deutlich werden. Lebensbedeutsame Wahrheit kann sich auch für den Interpreten nur in der bestimmten und praktischen Konkretion seiner eigenen Lebenssituation entbergen, weswegen Gadamer hier der aristotelischen phronesis (φρόνησις) ihren Ort in Hermeneutik aufzeigt, da die phronesis (φρόνησις) genau diese synthetische Vermittlung allgemeiner Wahrheit, bei Aristoteles der Tugenden, und der konkreten Situation leistet (Gadamer 1990 [1960], 317–329).6 Der Interpret muss also, um sich von der Wahrheit des Textes ansprechen zu lassen, diese mit seiner konkreten Lebenssituation, seinem Selbstverständnis in Dialog bringen und beides miteinander vermitteln, so wie es die subtilitas applicandi erforderte. Aufgrund der Bedeutung der Anwendung wird deutlich, dass jedes Verstehen für Gadamer sich in konkreter einzelfallhafter Einmaligkeit vollzieht, denn jedes erneute Verstehen ereignet sich in einem neuen Horizont, einer neuen konkreten lebensgeschichtlichen Situation – was jedem aus seinem Alltag vertraut sein mag, der ein gelesenes Buch nach einiger Zeit erneut in die Hand nimmt und fast vermeint, nun ein neues Buch zu lesen. Dies bedeutet aber auch, dass die Wahrheit des Textes in ihrer Gänze und Fülle nie erschöpfend im einzelnen Verstehen zur Darstellung kommen kann, da in jeder neuen Verstehenssituation diese Wahrheit neu anzuwenden und damit auch etwas anders zu verstehen ist (vgl. Gadamer 1990 [1960], 330–346).
Im hermeneutischen Prozess geht es also um das, auch immer wieder neu und anders, Zur-Sprache-Kommen der Sache des Textes bzw. ihrer Wahrheit im Spiel von Horizontentwurf und Horizontverschmelzung. Gadamer fasst diesen Prozess als einen dialektischen Prozess von Frage und Antwort (Gadamer 1990 [1960], 368–384), d.h. eine Dialektik sokratisch-platonischen, weniger hegelschen Zuschnitts. Unser Vorverständnis und unsere Erwartungen an den Text zeigen sich als Fragen an diesen. Sie eröffnen einen Fragehorizont, eine Fragerichtung, in der wir den Text zunächst verstehen. Doch handelt es sich bei diesen Fragen an den Text nicht um ein Fragen wie in einem Kreuzverhör, das, mit seinem Fokus auf dem Sich-Verraten, der symptomatischen Interpretation zugehört, sondern um ein Befragen des Textes, auf welche Frage er denn eine Antwort sei. Dieses zwar gerichtete, doch gleichwohl offene Fragen entbirgt, unterstützt durch die phronesis (φρόνησις), den Text in seinem historischen Horizont, seinem Sitz im Leben und, um auch seinen Wahrheitsanspruch ernst zu nehmen, seine in und durch diese historisch-situative Konkretion zur Darstellung kommende, ‚angewendete‘ Wahrheit. Doch mit dem Ernstnehmen seines Wahrheitsanspruches geraten wir als Interpreten in der Horizontverschmelzung zugleich in die Rolle des Befragten, denn nun richtet der Text seinen Wahrheitsanspruch auch an uns und stellt uns und unsere Erwartungen und Vorurteile und damit unser Selbstverständnis in Frage, und wir sind aufgefordert, die Wahrheit des Textes so mithilfe der phronesis (φρόνησις) auf uns anwendend, dem Text Rede und Antwort zu stehen.
Das Verstehen des Textes zeigt sich so als dialektisches Gespräch mit dem Text, als Finden einer gemeinsamen Sprache in der Horizontverschmelzung. Doch als einem solchen Gespräch eignen dem Verstehen noch zwei weitere Charakteristika. Zum einen wird auf diese Weise für Gadamer die Sprachlichkeit allen Verstehens deutlich (Gadamer 1990 [1960], 387–409), jedes Verstehen, auch z.B. das materieller Kunstwerke, muss letztlich sich sprachlich im dialegesthai (διαλέγεσθαι), dem sich-Unterreden manifestieren. Zum anderen weist Gadamer auf das Phänomen hin, dass ein Gespräch meist anders verläuft als erwartet, dass es ein Eigenleben gewinnt, ja, dass ein Gespräch sich als Geschehen entfaltet, was den Redenden widerfährt, so als wenn das Gespräch uns spräche und führte, statt dass wir es führten; (zu dem uns spielenden Spiel als uns widerfahrendem Geschehen vgl. Gadamer 1990 [1960], 107–126; zur uns sprechenden Sprache vgl. ibid., 442–495). Der hermeneutische Prozess wird vor diesem Hintergrund von Gadamer als sprachliches, sich ereignendes Geschehen aufgefasst, und zwar als Geschehen des Verstehens, was immer auch die Wandlung des Interpreten durch die Wahrheit des Textes bedeutet.
Hieran wird deutlich, dass Verstehen immer zugleich das Machen einer Erfahrung ist (Gadamer 1990 [1960], 352–368). Bei dieser handelt es sich, neben aller konkreten Spezifik des jeweiligen Einzelfalls, immer auch um die konkret lebensweltlich situierte Erfahrung der Offenheit, der Endlichkeit und der Differenz des Anderen. Denn im echten Befragen des Textes und dem sich in-Frage-stellen-Lassen von ihm öffnen wir uns dem Ungewissen; in der Erkenntnis der immer unausschöpflich in neuen Anwendungen auf uns sich neu und anders zeigenden Wahrheit des Textes gewahren wir unsere Endlichkeit und Geschichtlichkeit7; im Erleiden der Enttäuschung unserer Erwartungen und Vorurteile erfahren wir die Andersheit und Differenz des Textes und damit in Abhebung zu und im Dialog mit ihm auch die Wahrheit unserer selbst. So wird für Gadamer die hermeneutische Erfahrung zu einer existentiellen Wandlung und Selbsterhellung im jasperschen Sinne und die hermeneutische zur jasperschen Grenzsituation (vgl. Jaspers 1956). Im Angesicht der Transzendenz des Textes, an dem unsere Vorurteile und Herrschaftsansprüche scheitern, werden wir uns unserer Existenz inne und hell. Zugleich treibt uns die, durchaus hegelianisch aufhebend zu verstehende, Horizontverschmelzung mit der Andersheit des Textes über unsere wie des Textes Partikularität hinaus auf etwas Allgemeines hin, eine Bewegung, die uns, Max Schelers eingedenk, zur Selbstdistanz und zum Humor, nicht per Zufall zugleich die reifen „Abwehrmechanismen“, d.h. reifen Umgangsweisen mit dem Verdrängten und uns selbst, Sigmund Freuds, befähigt. Schließlich ist die hermeneutische Erfahrung auch ein Ort des Schärfens und Übens der phronesis (φρόνησις) und der reflektierenden Urteilskraft, welche stets in der Anwendung ihren Einsatz finden. Da bei Aristoteles die phronesis (φρόνησις), die ethische Meistertugend darstellt, welche nicht nur die Tugenden als Mitte zwischen den Lastern zu erkennen vermag, sondern auch die Tugenden mit der konkreten Lebenssituation synthetisch vermittelt, insofern sie sowohl den Zweck wie die Mittel des gelingenden Lebens organisiert (Aristoteles 1983), leistet die hermeneutische Erfahrung durch ihre Schulung der phronesis (φρόνησις) einen wichtigen Beitrag zu einem glückenden Leben im tugendethischen Sinne.
So betrachtet, ist die hermeneutische Erfahrung ein Bildungsprozess im humanistischen Sinne, weswegen Gadamer nicht zufällig der Analyse humanistischer Leitbegriffe zu Anfang von Wahrheit und Methode (1990 [1960]) einen solchen Raum gibt (Gadamer 1990 [1960], 15–47). Denn die Hermeneutik ist für Gadamer ein humanistisches Projekt in der Tradition der griechischen paideia (παιδεία) und Tugendethik, der römischen Rhetorik, des Renaissance-Humanismus und der Moralistik. So wie es in diesen Strömungen darum ging, den Menschen menschlich zu bilden und in ihm eine hexis (ἕξις) gelingender, sittlicher Lebensführung zu formen, so zielt auch die Hermeneutik Gadamers auf ein solches Bildungsprojekt. Denn in der hermeneutischen Erfahrung bildet sich der Mensch nicht nur durch das etwaige Kennenlernen klassischer Kulturwerke, etwa der Literatur, sondern vielmehr durch die Erfahrung der Offenheit, Endlichkeit und Differenz, die existentielle Selbsterhellung und Wandlung, die Schulung und Entwicklung der phronesis (φρόνησις) und ihrer verwandten Haltungen (hexeis, ἕξεις) und Fähigkeiten, wie der reflektierenden Urteilskraft, aber auch des Taktes und des Geschmacks, die beide von Gadamer in ihrer lebensweltlichen Unterscheidungs- und Erkenntnisfunktion des je in der Situation Gebotenen oder Vorzugswürdigen erhellt und in ihrer Verwandtschaft zur phronesis (φρόνησις) und zur Bildung ausgeleuchtet werden, sowie schließlich, durch die qua Selbstdistanz ermöglichte Emporbildung zum Allgemeinen, dem sensus communis der antiken Rhetorik und dem bon sens der französischen Moralistik.
Gadamer sieht die Hermeneutik damit als existentielles, humanistisches Bildungsprojekt, doch ist diese Bildung nicht nur Resultat der hermeneutischen Erfahrung, sondern zugleich, auch hier ein hermeneutischer Zirkel, ihre Grundlage. Denn das Fundament der Hermeneutik ist nicht eine vermittels eines Regelwerks explizierbare Methode, kein Manual oder Kalkül, sondern, Heideggers Daseinsanalytik und den Humanismus amalgamierend, das verstehende, gebildete Sein des Menschen.
3. Die Hermeneutik Gadamers und die Daseinsanalyse
Bevor ich mich nun der Anwendung der Hermeneutik Gadamers auf die daseinsanalytische Therapie zuwende, seien einige Hinweise zur Daseinsanalyse und zur Anwendung der Überlegungen Gadamers auf diese vorausgeschickt.
Die Daseinsanalyse als Form klinischer Psychologie und Psychotherapie ist vornehmlich mit Ludwig Binswanger und Medard Boss verbunden. Schon früh im 20. Jahrhundert hatte Ludwig Binswanger sich darum verdient gemacht, die Psychoanalyse Sigmund Freuds mit dem phänomenologischen Denken sowohl Edmund Husserls als auch Martin Heideggers zu einer klinischen Daseinsanalyse zu verbinden, wenn auch sein Fokus eher auf der klinischen psychiatrischen Forschung und weniger auf der Therapie lag (zu einem Überblick zu Binswanger vgl. Längle & Holzhey-Kunz 2008, 183–190; sowie als dessen daseinsanalytische Hauptwerke Binswanger 1956, 1993).
Erst mit dem Denken Medard Boss‘, und vornehmlich seinem Grundriß der Medizin und der Psychologie (Boss 1999), kommt die Daseinsanalyse dann auch als Form der Psychotherapie zu sich (für einen Überblick zu Boss vgl. Längle & Holzhey-Kunz, 191–198). Boss verband das psychoanalytische Denken und das therapeutisch-methodische Vorgehen Freuds mit der philosophischen Daseinsanalytik Heideggers und vermochte sogar Heidegger dafür zu gewinnen, im Rahmen der gemeinsamen Zollikoner Seminare (Boss & Heidegger 2006) von 1959–1969, seine Daseinsanalytik den ärztlichen Teilnehmern in ihrer philosophischen wie eben auch ihrer klinisch-therapeutischen und psychiatrischen Bedeutsamkeit vor Augen zu führen.
Diese fruchtbare klinische Anwendung der heideggerschen phänomenologisch-hermeneutischen Daseinsanalytik im Rahmen der daseinsanalytischen Psychotherapie wirft, wie zu Beginn schon angesprochen, die Frage auf, ob und inwiefern auch die Hermeneutik Gadamers als des bedeutsamsten und zugleich eigenständigen Heideggerschülers einer solchen klinischen Anwendung fähig ist. Prima vista zumindest stimmen die Parallelen zwischen Heideggers und Gadamers Denken – Philosophie als phänomenologische Hermeneutik, Verstehen als Existential des Daseins bzw. als Praxis und Selbsterhellung des Daseins – hoffnungsvoll, dass eine solche Anwendung fruchtbar sein könnte, auch wenn die Orientierung an der Textauslegung in Gadamers Wahrheit und Methode (1990 [1960]) eine Anwendung auf die Psychotherapie nicht unmittelbar nahelegt.
Bevor wir uns nun allerdings einer Exploration des Potentials der gadamerschen Hermeneutik für die Daseinsanalyse zuwenden, sei auf metatheoretischer Ebene darauf aufmerksam gemacht, dass es sich bei diesem Explorationsprozess selbst um einen Verstehensprozess der gadamerschen Hermeneutik handelt, bei der diese nicht nur in ihrem eigenen Horizont zu verstehen ist – im ersten Teil dieses Aufsatzes –, sondern nun – im zweiten Teil – auch ihre Anwendung im gadamerschen Sinne im psychotherapeutischen Horizont der Daseinsanalyse findet, sodass dieser Aufsatz, so betrachtet, eine Horizontverschmelzung beider darstellt. Als Anwendung kann, eingedenk obiger Bemerkungen, die gadamersche Hermeneutik nun auch nicht einfach als allgemeines Regelwerk der daseinsanalytischen Psychotherapie übergestülpt oder diese ihr subsumiert werden, sondern es bedarf der einzelfallsensiblen, phronesis-geleiteten, zusammendenkenden, vermittelnden applicatio, die sich synthetisch um wechselseitige Passung bemüht.
Wie könnte nun aber konkret eine solche Anwendung der gadamerschen philosophischen Hermeneutik auf die psychotherapeutische Daseinsanalyse aussehen, bzw. wie zeigt sich daseinsanalytische Psychotherapie, wenn wir sie als hermeneutischen Prozess, hermeneutischen Zirkel, als hermeneutische Praxis und Erfahrung im Sinne Hans-Georg Gadamers verstehen?
Eine erste Anwendung zeigt sich in der Kritik Gadamers an der Auffassung der Hermeneutik als einer Methode (vgl. u.a. Gadamer 1990 [1960], 9–15). Versteht man die Daseinsanalyse als hermeneutischen Prozess im Sinne Gadamers, also als bildenden Vollzug menschlichen Daseins, kann sie nicht schlicht als psychotherapeutische Methode verstanden werden. Denn Psychotherapie im Sinne einer solchen gadamerschen Daseinsanalyse wäre praxis (πρᾶξις) und phronesis (φρόνησις), nicht poiesis (ποίησις) und techne (τέχνη), wenn auch hier und da „Techniken“ eingesetzt werden mögen. Psychotherapie in diesem hermeneutischen Sinn ist ein humanistischer Bildungsprozess mit dem Ziel des gelingenden, glückenden Lebens. Eine Anwendung der gadamerschen Kritik der Methode auf die Daseinsanalyse, bzw. die Psychotherapie überhaupt, unterzieht jedes nomothetische Therapieverständnis, das sich an Technik und naturwissenschaftlicher Methode orientiert, etwa die Unsitte manualisierter und dazu noch diagnosen- statt individuenspezifischer Therapieformen, etwa im Rahmen kognitiver Verhaltenstherapie, einer radikalen Kritik. Aber auch das eher ideographische und kasuistische Therapieverständnis, z.B. der traditionellen Psychoanalyse, entgeht nicht der Kritik, soweit dieses, parallel zur hermeneutischen Historik Droysens, Rankes und Diltheys (Gadamer 1990 [1960], 201–246), den Anspruch vertritt, den Einzelfall des Patienten von einem überlegend-wissenden Standpunkte aus besser zu verstehen, als er sich selbst versteht. Denn wenn auch die therapeutische Orientierung am Einzelfall bereits höchst verdienstlich ist, so mangelt es doch dieser vermeintlich überlegenden Position des Analytikers an in hermeneutischer Erfahrung erworbener Demut und Offenheit – die neuere relationale Psychoanalyse berücksichtigt diese Problematik im Übrigen in ihrer Akzentuierung von Intersubjektivität, Kollaborativität und therapeutischer Demut.
Schreiten wir nun zu einer Anwendung gadamerscher Gedanken auf die therapeutische Situation fort. Wie zeigt sich diese, und wie anders im Unterschied zur Situation hermeneutischer Textauslegung, wenn wir sie als hermeneutische Situation im Sinne Gadamers verstehen? Statt dem Text begegnen wir einem anderen lebendigen Menschen, einem selbst antwortfähigen Du, dessen Differenz und Abstand sich weniger einem Zeitenabstand, sondern lebensgeschichtlicher soziokultureller wie idiosynkratischpersönlicher Differenz verdankt. Dies bedeutet aber nicht, dass diese Differenzerfahrung geringer zu schätzen wäre, da sowohl sprachliche, wie soziale, sexuelle, generationale und kulturelle, einschließlich religiöser und ethnischer Differenz erschütternde Differenzerfahrungen mit sich bringen kann, und selbst bei scheinbarer Ähnlichkeit, der Arbeiten Emmanuel Lévinas‘ und Martin Bubers eingedenk, die Fremdheit und Andersheit des Anderen grundsätzlich nicht unterschätzbar und übergehbar ist. Diese Verdopplung des Interpreten im hermeneutischen Prozess, durch den Ersatz des Textes durch ein selbst interpretationsfähiges Du, gibt jedoch der therapeutischen Hermeneutik eine eigene Note, die sie von der klassischen Texthermeneutik markant unterscheidet.
Unbeschadet dessen zeigen sich gleichwohl auch Ähnlichkeiten. So können wir das therapeutische Vorverständnis mit Gadamer als Vorstruktur des Verstehens (Gadamer 1990 [1960], 270–290) auffassen. Gespeist aus den erlernten Theorien, Erfahrungen und Vorgehensweisen der Autoritäten des Faches, die ob ihrer Kompetenz mit einem Glaubwürdigkeitsvorschuss versehen sind, sowie aus den eigenen Vorerfahrungen, begegnet der Therapeut bzw. Analytiker dem Patienten mit einem Netz aus legitimen, wenngleich nicht notwendig wahren Vorurteilen und Erwartungen. Auch der Vorgriff der Vollkommenheit findet sich wieder in der Hoffnung, die Symptomatik bzw. das leidende Dasein des Patienten in Form einer Diagnose bzw. einer dynamischen Fallkonzeptualisierung zur Einheit und Ganzheit zu bringen. Doch entscheidend ist dabei, diese Vorurteile in-Frage-zu-Halten, d.h. für die Möglichkeit ihrer Enttäuschung offen zu sein. In phänomenologischer Terminologie meint dies die Rede, die eigenen Vorurteile unter Epoché zu stellen, nicht jedoch im Sinne ihrer Beiseitestellung und Nichtberücksichtigung, wie sie vielleicht in Wilfred Bions Diktum des „without memory or desire“ anklingt, sondern im Sinne einer reflektierend fragenden Offenhaltung ihrer Wahrheit.
Wie in der Textauslegung (Gadamer 1990 [1960], 305–312) werden nun in der therapeutischen hermeneutischen Situation Horizonte entworfen und verschmolzen. So entwirft der Therapeut den Horizont des Patienten, in dem dessen Symptomatik und Problematik verständlich wird, und zugleich in Abhebung dazu seinen eigenen Horizont, den er durch seine analytische Selbsterfahrung zwar schon vielfach erforscht hat, aber in jedem neuen therapeutischen Kontakt von neuem, in Abhebung zum je anderen konkreten individuellen Patienten, etwas anders entwirft und versteht. Und zugleich mit dem Entwurf dieser Horizonte verschmelzen diese im Prozess des Verstehens zu einem erweiterten Horizont. Doch der hermeneutische Zirkel ist hier komplexer, da nicht nur der Therapeut Horizonte entwirft und verschmilzt und nicht nur er mit einer Vorurteilsstruktur sich in die hermeneutische Situation begibt, in der diese Vorurteile sich teils bewähren und teils, ihn selbst in seinem Selbstverständnis wandelnd, enttäuscht werden; ein Gleiches gilt für den Patienten, wenn auch im unterschiedlichen Maße. Ein reiferer Patient wird den Therapeuten oder Analytiker auch in dessen Horizont verstehen können und sich selbst in Abhebung dazu, und damit sowohl die Erfahrung der Vorurteilsenttäuschung als auch der Horizontverschmelzung machen können. Ein unreiferer Patient, der die Eigenständigkeit und Andersheit des Anderen noch nicht denken kann, wird den Therapeuten nur im Rahmen des eigenen Horizontes verstehen und erst langsam, durch unvermeidbare Enttäuschungen der eigenen Erwartungen und Vorurteile, zur Einsicht in die Differenz des Anderen in Form des Analytikers oder Therapeuten reifen. Doch unbeschadet dieser erhöhten Komplexität des hermeneutischen Zirkels erweist sich der Verstehensprozess daseinsanalytischer Psychotherapie als ein Prozess, in dem Verstehen und Wandlung, d.h. Anamnese, Diagnostik und Therapie im daseinsanalytischen Verstehen zusammenfallen und die Wandlung durch die hermeneutische Erfahrung nicht nur den Patienten, sondern auch den Analytiker wandelt – eine eher selten eingehend reflektierte Eigenart therapeutischer Prozesse.
Allerdings stellt sich bei einer solcher Anwendung der gadamerschen Hermeneutik auf die daseinsanalytische Psychotherapie nun die entscheidende Frage, was denn in der Daseinsanalyse eigentlich zu verstehen ist: der Patient, also das Subjekt, oder seine Sache und ihre Wahrheit?
Gadamer hatte diesen Unterschied in der hermeneutischen Textauslegung dergestalt charakterisiert, dass er das unechte Verstehen einer Hermeneutik des Verdachts, das sich auf den symptomatischen Zeugnis- und Ausdruckscharakter des Textes richtet, ihn also als Ausdruck bestimmter geschichtlicher, kultureller oder gesellschaftlich-politischer Verhältnisse – man vergleiche die Hermeneutiken Rankes, Droysens oder Diltheys – oder auch als Ausdruck der Autorenpsyche – man denke an Schleiermachers Hermeneutik – liest, von dem echten Verstehen, das den Wahrheitsanspruch des Textes ernst nimmt und sich etwas von ihm sagen lässt, schied. An mehreren Stellen überträgt Gadamer in Wahrheit und Methode diese Unterscheidung auch beiläufig auf zwischenmenschliche Gesprächsformen und begreift das lediglich auf das sich-Verraten gerichtete juristische Kreuzverhör als auch das therapeutische Gespräch, als solch unechtes Verstehen. Denn hier bestehe keine Offenheit für die Wahrheit der Sache des Du, sondern alle Äußerungen des Du würden nur auf ihren symptomatischen Wert hin geprüft, was das Du mit seinen als Symptom verstandenen Äußerungen über das diesen ätiologisch Unter- oder Hinterliegende verrate. Die Äußerungen des Du werden so, statt zu etwas in seiner Wahrheit zu Bedenkendem, zu einem zu untersuchenden Objekt; in der Sprache Martin Bubers, wird das Ich-Du-Verhältnis so zu einem Ich-Es-Ver-hältnis, weswegen auch Buber im Übrigen die therapeutische Begegnung letztlich als Ich-Es-Verhältnis fasst (vgl. Buber 2009).8
Im Gegensatz zu dieser Auffassung der therapeutischen bzw. analytischen Beziehung möchte ich hier die These von der therapeutischen Bedeutung der Sache des Patienten und ihrer Wahrheit vertreten, also die Auffassung, dass ein therapeutisches Verstehen ein echtes sein kann, statt eines unechten, symptomatischen und einer Hermeneutik des Verdachts gehorchenden. Dies soll dabei nicht die therapeutische Untauglichkeit eines symptomatischen Verstehens behaupten, sondern lediglich die Möglichkeit eröffnen, Therapie auch als echtes hermeneutisches, die Wahrheit des Patienten verstehendes Gespräch mit entsprechenden damit einhergehenden hermeneutischen Erfahrungen zu begreifen. Es geht also darum, nicht den Patienten, bzw. seine Psyche oder sein Bewusstsein, zu verstehen, sondern seine Sache und deren Wahrheitsanspruch.
Diese Verschiebung der Verstehensanstrengung von der Person des Patienten, also dem Du oder Subjekt, zu dessen Sache oder Anliegen und deren Wahrheit9 kann sich dabei auf die philosophische Kritik Heideggers, etwa im Brief über den Humanismus (1947), und Gadamers (1990 [1960]), aber eben auch, analytisch-therapeutisch gewendet, Medard Boss’ am neuzeitlichen Subjektivismus berufen, die dezentrierend den Blick vom Subjekt auf die Sache zurücklenkt (vgl. Längle & Holzhey-Kunz 2008, 193–194) und den Fokus vom Bewusstsein auf das Dasein wendet.
Es geht also nicht darum, den Patienten allgemeinen Therapietheorien und Therapiemethoden als Fall einer Regel zu subsumieren, oder gar, noch entfremdeter, noch nicht einmal den Patienten, geschweige denn seine Sache und deren Wahrheit wahrzunehmen, sondern nur Diagnosen und „psychische Krankheiten“ zu identifizieren und zu behandeln.10 Allerdings geht es auch nicht darum, sich à la Schleiermacher identifizierend in die Subjektivität des Patienten hineinzuversetzen oder sich in diese einzuleben, und ihn gleichsam vom „Innen“ seiner Psyche her so besser zu verstehen, als er sich selbst verstanden hat, wie es zuweilen in (gegenübertragungsfokussierten Formen) der Psychoanalyse wie auch in klienten-zentrierten, rogerianischen humanistischen Therapien unternommen wird, so heilend und produktiv dies auch oft sein mag.
Statt eines solchen, sich in sie versetzenden, identifizierenden Einlebens in die Psyche bzw. die Subjektivität des Patienten, mit dem Ziel, wie diese zu erleben, und sie so zu verstehen, (oder gar die Person des Patienten psychologisierend als Fall einer Theorie zu subsumieren bzw. ihn auf eine Diagnose reduzieren zu wollen,) gilt es in dieser Perspektive, die Sache des Patienten in seinem Anliegen zu entfalten und in ihrem Wahrheitsanspruch ernst zu nehmen und, sich miteinander kollaborativ beratend, diese zu prüfen und zu befragen und sich von ihr auch in-Frage-stellen zu lassen, ganz im sokratischen Geiste der dialektischen Prüfung.
Doch ist dies nicht ein Irrweg? Ist die Sache des Patienten nicht schlicht psychoanalytisch Symptom unbewusster Triebverdrängungen, ist seine „Wahrheit“ nicht nur Resultat einer Rationalisierung und bedingt durch unbewusste Konfliktdynamiken oder, in der Sprache der kognitiven Verhaltenstherapie, Produkt verzerrter Denkmuster? Oder doch zumindest, selbst wenn man wie Ludwig Binswanger nur phänomenologisch verfährt und sich solcher psychoanalytischen oder verhaltenstherapeutischen Theorieannahmen enthält, ist die „Wahrheit“ des Patienten nicht das Werk eines neurotisch verzerrten Weltbildes, Beispiel eines verstiegenen, verschrobenen, manierierten, kurz missglückten Weltentwurfs (Binswanger 1956)? Vielleicht, und wohl zum Teil, aber eben nicht nur.
Die Daseinsanalytikerin Alice Holzhey-Kunz gibt uns einen Hinweis, auf welche Weise die Sache bzw. das Anliegen des Patienten Ort einer existentialen Wahrheit sein kann, die ernst zu nehmen ist, statt sie pathologisierend als Symptom zu deuten. Aus Holzhey-Kunz‘ Sicht ist der Neurotiker auf ungewöhnliche Weise hellhörig für die ontologische Struktur menschlichen Daseins (Längle & Holzhey-Kunz 2008). In seiner existentialen Sensibilität erkennt er die ontologische Prekarität unserer Existenz, vor deren Erkenntnis sich der „gesunde“ Alltagsmensch durch ein Versinken in der durchschnittlichen Alltäglichkeit des dumpfen Man zu verschließen sucht. Der Neurotiker hingegen erblickt bestimmte Aspekte, also Existentiale des menschlichen In-der-Welt-Seins, vermag allerdings, überwältigt von dieser existentialen Erkenntnis, mit diesen nur auf neurotische Weise umzugehen. In der daseinsanalytischen Therapie geht es für Holzhey-Kunz daher darum, diese Hellhörigkeit für die existentiale Seinsverfassung des Menschen und die gehörten existentialen Wahrheiten zu bewahren, allerdings nun mit ihnen, weil sie durch die Analyse tiefer verstehend, freier, offener, entschlossener und gelassener, nicht mehr neurotisch umzugehen.11 Mit Holzhey-Kunz lässt sich die Wahrheit der Sache des Patienten mithin als eine solche existentiale Wahrheit verstehen, die sich der Hellhörigkeit, also der besonderen Erkenntnisfähigkeit des neurotischen Patienten für die existentiale Verfassung menschlichen Seins verdankt, und die auch den Therapeuten bzw. Analytiker etwas in seiner Existenz zu lehren hat.
Als zweites kann als Gewährsmann Gerd Achenbach herangezogen werden, der Gründer und spiritus rector der Strömung der Philosophischen Praxis, also der Philosophie als philosophischer Beratung (Achenbach 2010). Auch Achenbach warnt vor einem intrusiven Psychologisieren des Besuchers, wie er den Klienten nennt, und dessen Psyche und empfiehlt stattdessen, auf hegelianischer Grundlage, das Anliegen, also die Sache des Besuchers ernst zu nehmen, indem sie und nicht die Person oder die Psyche des Besuchers Gegenstand des gemeinsamen Philosophierens wird. Philosophischer Praktiker und Besucher widmen sich dem gemeinsamen phänomenologischen Beschreiben des Anliegens des Besuchers, welches natürlich stets auch schon ein hermeneutisches Auslegen und Verstehen ist, und lassen im gemeinsamen Gespräch die Sache des Besuchers in ihrem Recht und ihrer Wahrheit sich hegelianisch-dialektisch entfalten, auseinanderlegen, negieren, fortbewegen, aufheben und verwandeln, und, mit der dialektischen Wandlung der Sache, des Anliegens, auch das Leben und Dasein des Besuchers sich wandeln. D.h. auch aus der Sicht achenbachscher philosophischer Praxis gebührt der Wahrheit der Sache des Patienten mit Recht Achtung und Offenheit, und sie ist es, die im Mittelpunkt der philosophischen Beratung steht.
Doch diese Wahrheit der Sache des Patienten zeigt sich dabei nicht in Abstraktheit, sondern stets angewendet im gadamerschen Sinne, also vermittelt mit, passend zu und in einer konkret-bestimmten Situation des Lebens und deren Horizont. Um die Wahrheit des Patienten zu verstehen, muss der Therapeut daher sich seiner phronesis (φρόνησις) und seiner reflektierenden Urteilskraft bedienen, denn nur vermittels dieser lässt sich verstehen, wie Wahrheit und Situation ineinanderpassen, sich miteinander vermitteln, wie die Wahrheit in ihrer Allgemeinheit nur am und durch den Einzelfall hier und jetzt in dieser konkreten Situation erfahr- und erkennbar wird. In der daseinsanalytischen Therapie begegnen uns, so betrachtet, stets nur Einzelfälle; ja sogar in jeder Sitzung eigentlich ein neuer Einzelfall, was jede Manualisierung von Therapie in ihrem Wesen als Kunstfehler entlarvt.
Aber in welcher Situation kommt die Wahrheit der Sache des Patienten zur Anwendung und Darstellung, d.h. welche Horizonte oder Anwendungssituationen sind hier im Spiel? Zum einen ist die Wahrheit des Patienten im lebenshistorischen Ursprungshorizont des Dort und Damals zu verstehen, als diese Wahrheit ihm als Antwort auf eine konkrete Lebenssituation erwuchs. Doch wie die Wahrheit eines Textes durch die späteren Leser nie mehr ganz so zu verstehen ist, wie für die Zeitgenossen der Textverfassung, so gilt dies auch für die Wahrheit des Patienten. Auch sie hat, wie die Wahrheit eines Textes, eine Wirkungsgeschichte, welche die Biographie des Patienten prägt und auch sein Alltagsdasein im hier und jetzt formiert, und wir können sie nur im Horizont dieser ihrer Wirkungsgeschichte verstehen. Sie wird sich dabei auch im Verhältnis zum Therapeuten oder Analytiker im konkreten hier und jetzt der therapeutischen hermeneutischen Situation ausspielen, ein Geschehen, das in der Psychoanalyse, symptomatisch gedeutet, unter dem Thema der Übertragung verhandelt wird. Da allerdings die Wahrheit des Patienten in jeder Situation neu und etwas anders zur Anwendung und Darstellung kommt, und zudem auch der einzelne Analytiker eine eigene existentiale Wahrheit hat und durch deren Wirkungsgeschichte bestimmt ist, die sich zumindest aspekthaft auch im hermeneutischen Gespräch in der eigenen Vorurteilsstruktur des Analytikers lenkend bemerkbar macht, kann jede Therapie oder Analyse nur als Einzelfall wirklich verstanden werden, was beiläufig die Absurdität des Versuchs vor Augen führt, analytische Therapie durch Instrumente wie randomized-controlled-trials vermessen zu wollen. Im Gespräch mit einem anderen Analytiker käme die Sache des Patienten und ihre Wahrheit notwendig auf andere Weise zur Anwendung und zur Sprache, auch wenn es sich um die „gleiche“ Wahrheit handelte. Allerdings kann diese Wahrheit in ihrer Ganzheit und Fülle aufgrund der Unendlichkeit der Anwendungssituationen nie vollkommen zur Darstellung kommen, weswegen, wie schon Freud erkannte, die Analyse an sich nie ein Ende hat.
Lassen Sie mich diese Gedanken zur Sache des Patienten und ihrer Wahrheit beispielhaft an einem kurzen, von Sigmund Freud beschriebenen und auch später von Wilfred Bion aufgegriffenen Fall verdeutlichen. Freud schrieb in Das Unbewußte:
„Ähnliches gilt für einen jugendlichen Patienten … . Er benahm sich sonst ganz wie ein Zwangsneurotiker, verbrauchte Stunden für seine Toilette u. dgl. Es war aber an ihm auffällig, daß er widerstandslos die Bedeutung seiner Hemmungen mitteilen konnte. Beim Anziehen der Strümpfe störte ihn z.B. die Idee, daß er die Maschen des Gewebes, also Löcher, auseinanderziehen müsse, und jedes Loch war ihm Symbol der weiblichen Geschlechtsöffnung.“ (Freud 1969, 299)
In diesem Falle war dem Patienten, so Freud, die psychosexuelle, trieb- oder objekthafte Dimension seiner Angst durchaus zugänglich und bewusst, doch ohne, dass diese Einsicht die Symptomatik besserte. Welche Wahrheit seiner Existenz verdrängte dieser Patient, auf welche Sache des Patienten verwies die Löchrigkeit des Strumpfgewebes, was musste verdeckt bleiben, was war die wirkliche Quelle seiner Angst?12 Aus daseinsanalytischer Sicht könnte es sich bei der Sache dieses Patienten und ihrer Wahrheit um eine Einsicht in das Nichts, die Leere und Löchrigkeit, die Freiheit der conditio humana gehandelt haben. Denn, existenzphilosophisch betrachtet, ist der Mensch mit Jean-Paul Sartre, Friedrich Nietzsche, Sören Kierkegaard (vgl. z.B. Kierkegaard 2005) und anderen Denkern ein Nichts, eine Leere und Freiheit, eine haltlose, schwindelerregende Unbestimmtheit, eine Substanzlosigkeit und Möglichkeit, ein offenes Werden, welches uns existentiell ausmacht und zugleich notwendig in Angst sein lässt. Vielleicht wurde eben diese Wahrheit menschlicher Existenz dem Patienten deutlich, als er das Strumpfgewebe auseinanderzog, denn dort, wo er festes, volles, beständiges Sein, Substanz, Bestimmtheit, Halt erwartete, war er plötzlich konfrontiert mit den Löchern im Sein, d.h. im Sein der Welt, der Menschen wie auch dem Sein seiner selbst. Mit anderen Worten, er erkannte das Nichts, die Leere und die Freiheit menschlichen Seins mit ihren Möglichkeiten und Unbestimmtheiten. Doch er erkannte diese Wahrheit menschlicher Existenz nicht einfach philosophisch schlechthin und in abstracto, sondern erfuhr und erlebte sie leibhaftig in einer konkret-bestimmten Situation seines eigenen Lebens und deren Horizont. In dieser lebensgeschichtlich spezifischen, individualisierten Anwendung wurde diese allgemeinmenschliche Wahrheit zu seiner Sache, seiner Wahrheit, zur Wahrheit des Patienten. Und vielleicht war es diese schreckenserregende Erkenntnis der Wahrheit unserer Existenz, diese Angst, und das mit ihr verbundene Leiden am Sein bzw. am Werden schlechthin, so eine Wendung Holzhey-Kunz‘ (Längle & Holzhey-Kunz 2008, 399)13, die nun von ihm verdrängt werden musste, – aber eben nicht als allgemeine Wahrheit, sondern als persönlich und individuell erfahrene und widerfahrene, erlebte Sache, als ganz persönlich gefärbte und perspektivierte Wahrheit, die doch zugleich uns alle als Menschen angeht. Für den Patienten wie für den Analytiker ginge es mithin in der Therapie darum, diese Sache in ihrer gelebten, individuell-persönlichen wie auch in ihrer uns alle ergreifenden allgemeinmenschlichen Wahrheit zur Sprache kommen zu lassen, an ihrem individuell unterschiedlichen, situativ und konkret ge- und erlebten Erscheinen vermittels der phronesis (φρόνησις) und der reflektierenden Urteilskraft zu lernen, weise und klug mit ihr umzugehen, und sich so an ihr existentiell zu erhellen und menschlich-reifend zu bilden.
Das therapeutische hermeneutische Gespräch lässt sich demnach als Zur-Sprache-Kommen der Sache des Patienten einschließlich ihres Wahrheitsanspruches beschreiben, wenngleich auch die Sache des Therapeuten und deren Wahrheitsanspruch unvermeidbar ebenfalls mit im Spiel sind, eingedenk der notwendigen rollenbedingten Asymmetrie zwischen Patienten und Therapeut allerdings nur beiherlaufend und nicht den Gang des Gespräches führend. Als ein solches Zur-Sprache-Kommen der Sache des Patienten ist auch das therapeutische hermeneutische Gespräch ein dialektisches Spiel von Frage und Antwort im sokratisch-platonischen Sinn, ein sich mit sich und dem Anderen Unterreden und zu Rate Gehen. Therapeutisches Fragen meint hier, die Wahrheit des Patienten darauf zu befragen, aus welchem konkreten Sitz im Leben sie entspringt und zu welcher lebensweltlichen Frage sie der Versuch einer Antwort ist. Das Fragen des Therapeuten, wie auch sein Fragehorizont und die Richtung seines Fragens, zielen ins Offene, es ist ein echtes Fragen, im Unterschied zu einem diagnostischen Fragen, das nicht an der Wahrheit der Sache des Patienten, sondern nur an einem symptomatischen Ausdrucksverstehen und einem Finden der verräterischen Spuren des ätiologisch Dahinterliegenden interessiert ist. Im echten Fragen wird der Patient validiert und seine Wahrheit ernstgenommen und zugleich erfährt er sich als in-Frage-stehend, was auch ihn ins Offene weist und ihn mit seiner Endlichkeit und differentiellen Abständigkeit zum Therapeuten konfrontiert. Dergestalt erhellt sich ihm seine Existenz und seine Wahrheit als Antwort auf konkrete Lebensfragen im situativ konkret-bestimmten Dort und Damals ihres biographischen Ursprungs, als auch in ihrer Wirkungsgeschichte in ihrer Anwendung auf seine Biographie und auf seine heutige Lebenssituation im hier und jetzt seines Alltags, wie im hier und jetzt seines Zusammenseins mit dem Therapeuten. Doch auch der Therapeut oder Analytiker muss in hermeneutischer Demut um den Sitz im Leben seiner eigenen Wahrheit wissen und um deren Horizontrelativität, also auf welche Anwendungssituation sie eine Antwort ist, und es gilt, das Fragen des Patienten nicht symptomatisch zu begreifen, sondern (oder zumindest auch) als echtes Fragen zu verstehen, und sich als Therapeut und als Mensch in seiner Wahrheit, angesichts der Wahrheit des Patienten und dessen Fragens, als ebenfalls in-Frage-stehend zu erfahren, und gemeinsam mit dem Patienten die Erfahrung eines sie beide überschreitenden Wahrheitsgeschehens im analytisch-therapeutischen Prozess zu machen.
In diesem kollaborativen Ernstnehmen des Patienten als Experten in seiner Sache und der Erfahrung der Therapie als eines beide umgreifenden Geschehens, zeigen sich hier Ähnlichkeiten zur modernen relationalen und intersubjektiven Psychoanalyse wie zur humanistischen Therapie. Und wie in der Psychoanalyse wird auch in einer gadamerisch verstandenen hermeneutischen Daseinsanalyse die eminente Bedeutung der Sprache deutlich, da es im Verstehen zwischen Patienten und Therapeut oder Analytiker darum geht, eine gemeinsame Sprache zu finden und alles zu Verstehende, einschließlich von Handlungen, Emotionen, körperlichen Empfindungen oder Beziehungen, letztlich im Medium, also im Mittel der Sprache auszulegen. Auch die hermeneutische Daseinsanalyse in diesem Sinne zeigt sich so als Redekur und zugleich als, eingedenk des hermeneutischen Zirkels potentiell unendliches, Wahrheitsgeschehen, in der die Wahrheit der Sache des Patienten zur Darstellung und durch die hermeneutische Erfahrung im Prozess von Horizontentwurf und Horizontverschmelzung zur Wandlung kommt, und so auch sich das Dasein des Patienten (und das des Therapeuten mit ihm) wandelt.
Die hermeneutische Auseinandersetzung mit der Wahrheit der Sache des Patienten – ebenso wie, wenn auch beiläufig, mit der des Therapeuten – wird so für Therapeut wie Patient zu einer transformierenden Erfahrung, Therapie zu einem bildenden Erfahrungsprozess beider. Die Erfahrung, die dabei zu machen ist, gleicht auch hier in ihrem Um- und Grundriss14, neben aller individuellen einzelfallhaften Spezifik, der hermeneutischen Erfahrung in der Textauslegung. Patient wie Therapeut haben, so sie sich, vielleicht mehr und mehr, auf diesen hermeneutischen Prozess einlassen, die Möglichkeit, in diesem die reifend-bildenden Erfahrungen von Offenheit und Endlichkeit, ebenso wie von Differenz, Andersheit und Abständigkeit zu machen. Hier wird, aller Wahrscheinlichkeit nach, zwar meist eine deutliche Asymmetrie zwischen dem Therapeuten oder Analytiker und dem Patienten bestehen, da der Patient zunächst in der Regel viel weniger sich für diese Erfahrungen öffnen und sich auf diese einlassen können wird. Doch der leidvolle und unvermeidbare Prozess der Vorurteilsenttäuschung, der den Analytiker oder Therapeuten ebenfalls erfasst, wird auch den Patienten mehr und mehr zur Erfahrung der Differenz und Andersheit des Anderen und, damit verbunden, der Erfahrung der Endlichkeit und Begrenztheit und der Offenheit führen. In der offenen Frage an den Anderen und dessen Wahrheit und dem offenen In-Frage-Sein der eigenen Wahrheit durch den Anderen geraten Patient wie Therapeut in Selbstdistanz und machen die quasi hegelianische Erfahrung einer Aufhebung ihrer selbstzentrierten Partikularität ins Allgemeine, in den bon sens der französischen Moralistik oder den sensus communis der römisch- bzw. renaissance-humanistischen Tradition, wie Gadamer es ausdrücken könnte (Gadamer 1990 [1960], 15–47). Existenzphilosophisch ist der therapeutische hermeneutische Prozess ebenfalls ein Ort der Selbsterhellung der eigenen Existenz im jasperschen Sinn (vgl. Jaspers 1956). Im Geschehen der Wahrheit im Spiel des Gesprächs erfahren beide die Wahrheit als etwas beide Gesprächspartner Transzendierendes, als ein Geschehen, in dem sie nur Mitspieler sind. Mit dem späten Heidegger könnte man sagen, dass das Wahrheitsgeschehen des therapeutisch-hermeneutischen Prozesses beide Gesprächspartner Gelassenheit, also das Lassen von der (neurotischen) Zentriertheit auf sich als Subjekt, lehrt, während die Erfahrung der Endlichkeit, mit dem jungen Heidegger, zur existentiellen Entschlossenheit und zum Ergreifen der Lebensmöglichkeiten angedenk der eigenen Sterblichkeit führt. Mit Medard Boss hingegen lässt sich besonders an der Erfahrung der Offenheit anschließen, da Boss das Heilungsziel daseinsanalytischer Therapie als ein Offenständigsein, eine Freiheit zu und in allen existentialen Bezügen umschrieb (Boss 1999). Die Offenheit der hermeneutischen Erfahrung in der daseinsanalytischen Therapie kann so auch als Erfahrung existentialer Freiheit, als ein solches Offenständigsein verstanden werden.
Doch all diese Erfahrungen werden im therapeutisch-hermeneutischen Prozess nicht in abstracto gemacht, sondern in der konkret-bestimmten Lebenssituation, sie haben einen Sitz im Leben, sind mit der konkreten analytisch-therapeutischen Situation im hier und jetzt vermittelt. Dies bedeutet, dass auch der analytisch-therapeutische Prozess, der uns, als Patienten und Therapeuten, abnötigt, Einsichten und Erfahrungen nicht theoretisierend im abstrakten Umriss, sondern gelebt in konkreter Anwendung auf unsere Lebenssituation zu machen und diese mit dieser zu vermitteln, ein Ort der Schulung der phronesis (φρόνησις) ist, die für Aristoteles (1983) als Meistertugend Zwecke wie Mittel, Tugenden und konkrete Lebenssituationen zu einem gelingend-glückenden, und damit, therapeutisch gesprochen, auch weniger leidvoll-neurotischen Leben orchestriert. Die analytisch-therapeutische Situation, verstanden als eine hermeneutische, generiert bildend die phronesis (φρόνησις) und ihre verwandten Tugenden in Patient und Therapeut bzw. Analytiker, doch zugleich bedarf sie dieser auch, weswegen der Schulung der phronesis (φρόνησις), aber auch der reflektierenden Urteilskraft des Therapeuten, seines therapeutischen Taktes für das der jeweiligen Therapiesituation je gerade Angemessene und seines therapeutischen Geschmackes für das bildend-heilend Vorzugswürdige in der therapeutischen Situation eine besondere Rolle in der therapeutischen Bildung zukommt. Die hermeneutischen Erfahrungen mit den Patienten, aber auch die eigene hermeneutische Erfahrung als Patient in der Ausbildungsanalyse, eröffnen dem Therapeuten reiche Gelegenheiten zu solcher Schulung und Erfahrung.
Daseinsanalytische Therapie, verstanden als Anwendung gadamerscher Hermeneutik, wird so für den Patienten, und zugleich für den Therapeuten oder Analytiker, zu einem existentiellen humanistischen Bildungsprozess, der im Verstehen den Menschen in seiner Existenz erhellt und zum menschlichen Urbild der humanitas bildet.
1 Gadamer weist darauf hin, dass schon hier die Hermeneutik mit der Bildung in Form der griechischen paideia (παιδεία) und der römischen humanitas verbunden ist.
2 Es sei an dieser Stelle der Geschichte der Hermeneutik auch das Werk Paul Ricoeurs erwähnt, der im Französischen, auf ähnlichen Grundlagen wie Gadamer, ebenfalls einen bedeutsamen Beitrag zur Entwicklung der Hermeneutik im 20. Jahrhundert leistete.
3 In Destruktion und Dekonstruktion (Gadamer 1993, 361–372) deutet Gadamer an, wie er sich zu Jacques Derridas Kritik an dieser Idee verhält.
4 Dies bildet den Hintergrund für Gadamers Polemik gegen die Problemgeschichte der analytischen Philosophie, da Probleme eben keine zeitlosen Konstellationen sind, die immer von neuem angegangen werden könnten, sondern Probleme sich wandeln im Laufe der Zeiten (Gadamer 1990 [1960], 382–383).
5 Gegenüber der Phänomenologie gibt Gadamer mit Heidegger zu bedenken, dass auch jedes Beschreiben bereits die Phänomene gliederndes und etwas-als-etwas auslegendes Verstehen ist.
6 In der Jurisprudenz, vornehmlich im Richterrecht, übernimmt die Billigkeit diese Aufgabe der Vermittlung der allgemeinen Rechtssätze mit dem konkreten Einzelfall, ohne diesen, summum ius, summa iniuria, einfach der allgemeinen Regel zu subsumieren (Gadamer 1990 [1960], 330–346).
7 Denn anders als für Hegels Weltgeist kann uns als endlichen, begrenzten Menschen der Text nie ganz ansichtig und wir uns selbst nie ganz durchsichtig werden, so Gadamer (1990 [1960], 346–352); der Text in der Gänze und unausschöpflichen Fülle seiner Wahrheit bleibt uns notwendig entzogen, ebenso wie die unendlich volle und ganze Wahrheit unserer selbst.
8 Dass Buber hier in der Tendenz eher dyadisch und Gadamer eher triadisch (mit der Sache als Drittem) denkt, kompliziert diese Parallele etwas.
9 Psychoanalytisch korrespondiert dieser Bewegung ein triadisches Aufbrechen der analytischen Dyade durch ein Drittes.
10 In der Gadamer interessierenden Geschichtswissenschaft entsprächen dem Verfahren der analytischen, an allgemeinen Gesetzen der Geschichte interessierten Geschichtswissenschaft.
11 Holzhey-Kunz lässt hier die existenzphilosophischen Haltungen Jean-Paul Sartres wie Martin Heideggers anklingen.
12 Auch Wilfred Bion nimmt sich in den Brazilian Lectures dieses Falles an und attestiert dem Patienten eine außerordentliche Beobachtungsgabe, nicht nur „makroskopisch“ den Strumpf zu sehen, sondern ihn auch „mikroskopisch“ als netzartig verbundene Menge von Löchern zu erblicken (Bion 1990 [1973], 20 ff.).
13 Meine Gedanken zur daseinsanalytischen Deutung des Strumpffalles verdanken zentrale Einsichten den entsprechenden Überlegungen Holzhey-Kunz‘ (Ebd., 333–334, 339–343).
14 Gadamer weist daraufhin, dass mit Aristoteles (1983) alles sittliche Wissen vor einer Vermittlung mit der konkreten Situation durch die phronesis (φρόνησις) nur in Form eines solchen Grund- oder Umrisswissens darstellbar ist.
Literaturverzeichnis
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