Bemerkungen zu acting out und passage à l'acte im Roman Die Demütigung von Philip Roth

Michael Meyer zum Wischen

Y – Z Atop Denk 2022, 2(8), 2.

Abstract: Der Text untersucht die von Jacques Lacan vorgenommene Unterscheidung von passage à l'acte und acting out in Hinblick auf Suizid und Melancholie. Einerseits kann man beide Prozesse trennen, andererseits scheinen sie doch manchmal mehr miteinander verschlungen als gedacht. Dies wird am Beispiel des Protagonisten Simon Axler aus Philip Roth Roman The Humbling untersucht. Dieser gescheiterte Schauspieler vollzieht in diesem Text einen letzten Akt in der Inszenierung seines Suizids. Es folgen Überlegungen zur Sublimierung des Todestriebes und der Aggression durch das Schreiben.

Keywords: passage à l'acte, acting out, Suizid, Melancholie, Literatur und Psychoanalyse

Veröffentlicht am: 30.08.2022

Artikel als Download: pdfErniedrigung und Melancholie

 

 

Der Bock, der auf die Bühne springt, ist das acting out.

(Lacan 2010, S.176)

 

Was könnte es heißen, auf die Bühne zu treten, um sich dann von ihr stürzen zu können? Gibt es eine Inszenierung des Endes jeder Inszenierung? Kann das Ende des Schauspiels selbst Gegenstand des Schauspiels sein? Und weiter: Wie kann die Darstellung der Erniedrigung durch den Anderen dazu führen, dass sich das Subjekt selbst von der Bühne der Tragikomödie seiner Demütigung fallen lässt?

Diese Fragen tauchen im Roman The Humbling (2009) von Philipp Roth auf und werden uns in der Folge beschäftigen. Hat die Psychoanalyse hierzu etwas zu sagen?

Lacan hat im X. Seminar L'angoisse in der IX. Sitzung eine genaue Unterscheidung zweier Prozesse vorgestellt, die für eben diese Fragen von entscheidender Bedeutung sind. Der Protagonist des Romans, Axler, ist zu Beginn der Geschichte nicht mehr in der Lage, auf die Bühne zu treten und als Schauspieler zu fungieren, was er zuvor bestens konnte. Acting out nennt Lacan den Vorgang eines monter sur la scène, bei dem das Subjekt sich mit einer zu dechiffrierenden Botschaft an den Anderen richtet und dabei den Rahmen der Repräsentation einhält: die Bühne. Lacan unterscheidet dies vom se laisser tomber, bei dem sich das Subjekt von der Bühne fallen läßt, die Symbolisierung endet, keine Botschaft mehr an den Anderen gerichtet wird und die Interpretation scheitert. Axler stürzt sich am Ende des Romans, bei seinem Suizid, von der Bühne. Das Besondere des Romans ist das Kippmoment, wo das Spiel endet, sich aus dem symbolischen Anderen – dem theatral inszenierten Text – der reale Rest ablöst, das Subjekt final von der Bühne tritt. Bei Roth kommt dieses Ende mit den Schlussworten aus Tschechows Die Möwe zusammen: „Die Sache ist die: Konstatin Gawrilowitsch hat sich erschossen.“ (Roth 2009, S. 125)

Das war Axlers große Rolle, aus der er sich in den Tod stürzte. Lacan nennt dies den passage à l’acte.

Was sagt er dazu? „Dieses fallen lassen ist das wesentliche Korrelat des passage à l'acte. Obgleich noch zu präzisieren ist, von welcher Seite es gesehen wird, dieses fallen lassen. Es wird gerade von der Seite des Subjekts gesehen. Wenn Sie sich auf die Stelle des Phantasmas beziehen wollen, ist der passage à l'acte auf der Seite des Subjekts, insofern dieses durch den

Schrägstrich maximal ausgestrichen erscheint. Das Moment des passage à l'acte ist der der größten Bedrängnis des Subjekts, mit der verhaltensmäßigen Beimischung der Erregung als Ungeordnetheit der Bewegung. Daraufhin, von da aus, wo es ist – nämlich von dem Ort des Schauplatzes, auf dem als fundamental historisiertes Subjekt es allein in seinem Status als Subjekt sich aufrechterhalten kann – stürzt und schwingt es sich aus der Szene heraus.” (Lacan 2010, S. 146)

Der Sturz aus Repräsentation, Historisierung, Subjektivierung tritt also in einer fundamentalen Klemme des Subjekts auf, reißt es in einer jähen Bewegung von der Bühne, wenn ein emotionaler Sturm das Subjekt erfasst. Nicht umsonst ist der Prospero aus Shakespeares Sturm eine der wichtigsten Rollen Axlers. Steht nicht Prospero für die Kraft der Symbolisierung der realen Stürme des Genießens und seine affektiven Bewegungen? Immer wieder, nicht nur in der playing scene des Hamlets, tauchen bei Shakespeare theatral-symbolische Inszenierungen von Gewalt und Sexualität einen entscheidenden Platz ein. Die Theateraufführung droht aber immer in die brutale Gewalt des realen Aktes zu kippen. Auch der Traum ist eine solche Form unbewusster In-Szene- Setzung, der Alptraum sein Scheitern. Wir sind der Stoff, aus dem die Träume sind

Das Subjekt identifiziert sich im Acting out nicht melancholisch mit dem objet a, sondern arbeitet es symbolisch aus und zeigt es als Ursache seines Begehrens auf der Bühne. „Das acting out ist im Wesentlichen etwas im Benehmen des Subjekts, das sich zeigt. Der demonstrative Akzent eines jeden acting out, seine Ausrichtung hin auf den Anderen, muss festgehalten werden ” (Lacan 2010, S. 155)

Wenn im Acting out das Begehren des Subjekts und das es begründende Objekt in Szene gesetzt werden, zeigt sich darin seine Nähe zum Symptom, das ebenfalls danach ruft, gehört und gedeutet zu werden. Dazu bedarf es der Übertragung.

„Das acting out ist ein Symptom. Das Symptom zeigt sich als anders, es ebenfalls. Der Beweis dafür ist, dass es gedeutet werden muss. – Gut reden wir also Klartext. Sie wissen, dass es, das Symptom, nicht direkt gedeutet werden kann, dass es dazu der Übertragung bedarf, das heißt der Einführung des Anderen.” (Lacan 2010, S. 158)

Gerade dieser Bezug zum Anderen, über den anderen des Publikums, löst sich im Acting out auf. Und darüber handelt der Text von Roth. Aber es scheint nicht so einfach zu sein mit den beiden Dimensionen. Könnte es auch eine Inszenierung der passage à l’acte geben, die versuchen würde, den drohenden suizidalen Akt symbolisch einzubinden und damit abzuwenden? Könnte dann aber eben auch dieser Versuch scheitern? Axler scheint im Roman diesen Weg zu gehen. Folgen wir dazu dem Ablauf des Textes von Roth, seiner Abfolge, die in drei Teile aufgegliedert ist: Aufgelöst in Luft, Die Verwandlung und Der letzte Akt.

Diese Trias umreißt die Logik des Scheiterns der sinthomatischen Rettung vor der suizidalen passage à l’acte einer Melancholie, des Scheiterns des Spiels des Akteurs, des Schauspielers. Die Auflösung verweist in einem ersten Schritt auf die drohende Annihilierung des Subjekts, in einem zweiten

Schritt ermöglich die Verwandlung eine Stabilisierung durch die Inszenierung eines Phantasmas, das offensichtlich das Sinthom1 des Subjekts, sein In-Szene-Setzen, stützt; offensichtlich in einer spezifischen Weise, wie wir sehen werden, wobei die Frau in Szene gesetzt werden soll. Der letzte Akt ist das entscheidende Finale des Scheiterns dieses Versuchs, einen Schutz vor dem Sturz von der Bühne zu etablieren: ein Scheitern, das allerdings selbst Gegenstand einer Szene wird, die sich jedoch in ihrem Bestehen wieder auflöst: Auflösung, wieder. Gehen wir erst einmal dem ersten Teil nach.

Axler, der gefeierte Star der Bühne, kann nicht mehr spielen:

„Er hatte seinen Zauber verloren ... Der Impuls war erloschen …Doch dann war das Schreckliche geschehen: Er konnte nicht mehr spielen. Auf die Bühne zu treten wurde zur Qual... Er erreichte das Publikum nicht, Sein Talent war tot.“ (Roth 2009, S. 7) Die Inszenierung scheitert, der Andere kann nicht erreicht werden. Ein wesentlicher Akzent wird hervorgehoben: Axler konnte durch sein Spielen den sexuellen non-rapport überbrücken, einen Zugang zu den Frauen bekommen. „Bei Axler wurden sie zu Schauspielerinnen, zu Heldinnen ihres eigenen Lebens.“ (Roth 2009, S. 9) Es kommt zum Zusammenbruch. „Er brach zusammen. Sein Zusammenbruch war kolossal.“ (Roth 2009, S. 10) Er wurde „ein Mann, der seiner selbst, seines Talents, seines Platzes in der Welt beraubt war, eines abstoßenden Mannes, der bloß aus der Summe seiner Defekte bestand.“ (Roth 2009, S. 12) Eine gute Schilderung der melancholischen Krise: das Subjekt wird zum Abfall des Scheiterns seines idealen Spiegelbildes, der Narzissmus hält nicht mehr, aber auch der symbolische Bezugspunkt fällt weg: Ich-Ideal und Ideal-Ich zerbrechen und das Subjekt ist mit dem verachteten Rest identifiziert, dem Objekt a, und der Andere ist keine Stütze mehr, sondern nur noch verurteilender Richter. „Das Fest ist nun zu Ende“ – wie es im Sturm heißt. (Roth 2009) Seine Frau behandelt ihn als Abfall, lässt ihn fallen, er will sich töten. Sie erträgt ihn nicht mehr. „Das Gewehr als Fortsetzung seiner Frau.“ (Roth 2009, S.14) Der stützende andere, die Frau, wird zum tödlichen und verfolgenden Anderen, verkörpert im Gewehr. Axler bittet aber einen Arzt, ihn in eine psychiatrische Klinik einzuweisen. Dort versucht er etwas zum suizidalen Akt auszuarbeiten, um darüber wieder einen Zugang zu sich als Subjekt zu finden. „Selbstmord ist die Rolle, die man für sich selbst schreibt ... Man füllt sie aus und setzt sie um. Alles ist sorgfältig inszeniert: wo sie einen finden und wie sie einen finden. Aber es gibt nur eine einzige Vorstellung.“ (Roth 2009, S. 19)

Das ist ein wichtiger Satz, der das Ende des Romans bereits ankündigt. Der Rahmen der repräsentierbaren Aspekte des Suizides, seine Umrahmung, umreißt zugleich das schwarze Loch, in das das Subjekt sich stürzt.

Interessant ist, dass Axler in den Gesprächen mit dem Psychiater der Klinik keinen Auslöser und keinen Grund seiner melancholischen Krise anführen kann: „Mal verliert mal, mal gewinnt man – es ist alles bloß eine blinde Laune“ (Roth 2009, S. 21) Es geht um das Reale, das jeder Psychologisierung und der Symbolisierung entgeht. Es geht hier ja nicht um eine objektivierend-psychiatrische Feststellung, sondern darum, dass das Subjekt, Axler, seine Krise nicht mit Sinn belegen kann.

Wichtig ist dabei, dass bereits auf den ersten Seiten des Romans ausgeführt wird, dass Axler das Spielen nie erlernen musste, er war gewissermaßen im Realen des Spiels, musste es sich nicht über symbolische und imaginäre Kunstgriffe aneignen. Er war, er stellte nicht dar. An dem Punkt, an dem Axler dies nicht mehr kann und er das Fadenscheinige jedes Semblants und jeden Spiels erfasst, stürzt er bereits ab. Seine Suizidalität ist so wenig fassbar wie sein Spiel als Schauspieler. Weiter wichtig während des Klinikaufenthalts Axlers ist sein Treffen mit einer Frau, Sybil van Buren. Ihr zweiter Mann vergreift sich sexuell an ihren Kindern, was sie, paralysiert, in einen Suizidversuch treibt. Sie richtet alle Wut gegen sich selbst wegen ihres Versagens, die Kinder nicht geschützt zu haben. Nun fragt sie Axler, ob er den Mann töten kann. Ihre Autoaggression verwandelt sich in mörderische Impulse gegenüber ihrem inzestuösen Mann, den sie nun nur noch tot sehen will. So wird sie nicht mehr selbst zum Abfall, wendet das mörderische Begehren gegen den anderen und rettet sich so vor der Melancholie.

Mit Sybils Ausweg aus der Melancholie kontrastiert die Selbsttötung des Sohnes der Frau Axlers an einer Überdosis, nach seiner Entlassung aus der Klinik.

Zu Hause angekommen meldet sich sein Agent Jerry und bietet ihn die Haupt-Rolle in A long day journeys into night an, eines düsteren Dramas um den Niedergang der familiären Struktur. Er weist ihn ab. Sein springender Punkt, warum er nicht mehr spielen kann, wird nun klarer als in der Klinik. Nun kann er es sagen: „Nein, das Problem ist Künstlichkeit, eine so große und alles derart durchdringende Künstlichkeit, dass ich nichts anderes tun kann als auf der Bühne zu stehen und dem Publikum zu sagen: ich bin ein Lügner. Und nicht mal das kann ich gut ... Ich bin ein Betrüger.“ (Roth 2009, S. 35) Axler erkennt den Semblant, das Fadenscheinige jeden Spiels, das das Reale verfehlt. Er kann nicht mehr. „Es ist vorbei, Jerry. Ich kann das Vorgestellte nicht mehr zu etwas Wirklichem machen.“ (Roth 2009, S. 39)

Nun, am Ende des ersten Teils, kommt es zu einer neuen Wendung. Axler vertieft sich in die Literatur und sucht nach Texten, die den Suizid selbst thematisieren: Hedda Gabler, Fräulein Julie, Hippolyte, Oedipus Rex, Antigone, Tod eines Handlungsreisenden, Unsere kleine Stadt, Hamlet, Othello, Julius Cäsar, König Lear, Antonius und Cleopatra, Die Möwe, ein Werk, das noch wichtig werden wird im Verlauf des Romans. Konstantin Gawrilowitsch erschießt bereits am Beginn des Dramas vor den Augen seiner Geliebten eine Möwe, die als purer Abfall sei Schicksal vorwegnimmt, da er sich am Ende des Stückes, verlassen von der Geliebten, töten wird. Axler erkennt im Suizid ein entscheidendes Moment des Dramas überhaupt. Nun will er all diese Werke wieder genau studieren, statt auf Jerrys Angebot einzugehen.

Er sollte sich diese Stücke noch einmal vornehmen. Ja, allem, was grauenhaft war, musste er sich stellen.” (Roth 2009, S. 40) So ist er nun mit der Frage beschäftigt, ob und wieweit sich das, was nicht repräsentiert werden kann, doch in Szene gesetzt werden muss.

In dieser Situation erreicht Axler ein Brief Sybils, in dem sie ihm dankt, dass er sie in der Klinik ernst genommen und nicht für wahnsinnig erklärt habe. Sie habe verstanden, dass sie sich in der Melancholie statt ihres Mannes zum Tode verurteilt habe: „Dummerweise habe ich den falschen Mann zum Tode verurteilt“ (Roth 2009, S. 41) Axler erkennt zwar den heilsamen Aspekt dieser Einsicht Sybils, die sich einer Art Eigenanalyse unterzieht und zu einer Deutung kommt: sie führt also die Bühne wieder ein – er selbst aber scheint irgendwie noch immer im Sog der Idee zu stehen, die Bühne zu verlassen, nachdem man sie - ein letztes Mal – betreten hat, etwas was er aber noch schwerer ansieht, als jemanden zu ermorden: „Und wenn es schon so schwer ist, einen anderen Menschen zu töten, jemanden, den zu vernichten man jeden Grunde hat, wie schwer muss es dann sein, sich selbst zu töten“ (Roth 2009, S. 42) So endet der erste Teil.

Welches wird das Drama sein, das Axler inszeniert? Was ihm ermöglicht, noch eine Zeit auf der Bühne zu bleiben, um sich dann von ihr stürzen zu können?

Davon handelt der zweite Teil Die Verwandlung.

Diese Wandlung beginnt mit der Begegnung Axlers, der 65 Jahre alt ist, mit der viel jüngeren Tochter alter Freunde, Pegeen. Sie ist 40 Jahre alt, lesbisch. Ein wichtiges Detail ist, dass Axler den Eltern vor der Geburt gesagt hatte, sie sollten eine Tochter Pegeen Mike nennen, einen Sohn Christy. Er ist also der Namensgeber dieser Frau, die er nun vier Jahrzehnte später wieder trifft und sich in sie verliebt.

„Dennoch war er vor ihrer Ankunft sicher gewesen, dass er mit allem fertig war: fertig mit dem Spielen, mit Frauen, mit Menschen, für immer fertig mit dem Glück.“ (Roth 2009, S. 44) Nach der Klinik quält er sich nach wie vor mit Suizidimpulsen: “Wieder einmal kreisten seine Gedanken ausschließlich um Selbstmord: darauf liefen alle seine Verluste hin“ (Roth 2009, S. 45) In dieser Lage wendet sich Pegeen an ihn, ruft ihn aus der Nähe überraschend an, als Tochter der Freunde. Er hat sie zuletzt als sechsjährige gesehen, als er noch keine 30 Jahre alt war. Nun trifft er eine schöne, sanfte und entspannte, sehr erotische Frau, die gerade aus einer gescheiterten lesbischen Beziehung kommt. Sie hat etwas Kindliches, „in ihrem Lächeln war jedoch noch etwas von dem kleinen Mädchen und in ihrem wiegenden Gang eine Menge von der Range“ (Roth 2009, S. 48) Die frühere Partnerin Pegeens, Priscilla, lässt sich zu einem Mann umwandeln, transformieren, was bei Axler die Idee aufkommen lässt: „Wenn Priscilla ein heterosexueller Mann werden konnte, dann konnte Pegeen eine heterosexuelle Frau werden.“ (Roth 2009, S. 50) Es entwickelt sich so eine Phantasie bei Axler, dass er Pegeen kraft seiner Liebe transformieren kann, zu einer Frau, die ihn als Mann liebt und begehrt: was ihm wieder Zugang zu einer phallischen Position gewähren könnte. Das zu Grunde liegende Phantasma ist aber nicht neu, sondern zeigt sich auch in seinem bereits zuvor geschilderten Begehren, Frauen zu Heldinnen ihres Lebens werden zu lassen. Dies war also offensichtlich sein Modus, dem fehlenden rapport séxuel abzuhelfen, ihn zu supplementieren und damit zugleich die Frauen zum Sinthom machen zu können: als seine phantasmatischen eigenen Geschöpfe, die ihm seine phallische Potenz als Schauspieler begründen könnten. Jetzt wird auch klarer, dass seine sexuelle Krise mit seiner schauspielerischen zusammenfällt: darin gehindert zu sein, Frauen zu Heldinnen der Bühne zu machen, stürzt Axler in eine tiefe Melancholie: an diesem Punkt ist das Spiel vorbei, der letzte Akt beginnt. Aber hier im Roman sind wir nun zuerst mit einem berührenden Versuch konfrontiert, das Phantasma erneut zu inszenieren und sich so durch ein Acting out vor der Passage à l'acte zu retten. Interessant ist die Frage, wie genau hier Inszenierung des Phantasmas und Stellung der Frau als Sinthom des Mannes zusammenkommen.

Axler erkennt selbst, dass seine Rettungsversuche vor der Melancholie mittels Spiel und Frauen immer fragil waren: „In den vergangenen Jahren war mein Leben gefährlich instabil, und ich fühle mich nicht stark genug, die Zerstörung meiner Hoffnungen auszuhalten. Ich habe genug eheliches Elend und davor genug Trennungen erlebt ... Es ist immer schmerzhaft, es ist immer hart, und in dieser Phase meines Lebens will ich so etwas nicht heraufbeschwören.“ (Roth 2009, S. 58) Er sagt zu Pegeen: „Ich baue darauf, dass ich Dich habe. Zieh Dich nicht von mir zurück. Ich finde es herrlich und will nicht, dass es aufhört. Mehr kann ich dazu nicht sagen“ (Roth 2009, S. 59) Axler verwandelt nun Pegeen in eine wunderschöne, weibliche Frau und erfüllt ihr dabei vor allem alle Wünsche, was Kleider angeht. „Er half Pegeen lediglich, die Frau zu sein, die er begehrte, anstatt eine Frau, die andere Frauen begehrt. Sie beide waren ganz davon in Anspruch genommen.“ (Roth 2009, S. 61) Es handelt sich um ein Spiel, in dem Axler Pegeen für ihre Rolle kostümiert. Hier taucht wieder seine Frage nach dem Semblant und der Lüge im Spiel auf. Hatte er ihr gegenüber wirklich eine phallische Position? „Was zieht eine solche Frau zu einem Mann, der dabei ist, soviel zu verlieren? Ermutigte er sie nicht, sich als eine Frau zu geben, die sie nicht war? Verkleidete er sie nicht – als könnte ein teurer Rock beinahe zwanzig Jahre gelebter Erfahrungen auslöschen? Verzerrte er sie nicht, indem er sich selbst eine Lüge erzählte – eine Lüge, die vielleicht alles andere als harmlos sein würde?“ (Roth 2009, S. 61-62) Die Beziehung Axlers und Pegeen erfährt nun einige Anfeindungen und Anfechtungen von einer Geliebten Pegeens, Louise, der Dekanin der Universität und ihrer Eltern, die von dieser alarmiert werden. Er zweifelt zunehmend an sich wegen seines Alters, zögert aber den früheren Freunden, den Eltern Pegeens, entgegenzutreten, als sie ihn vor ihr herabsetzen, erniedrigen, demütigen. Er hat nicht die Kraft, wirklich dagegen aufzustehen; obwohl Pegeen ihn fragt, ob er verletzt ist, verneint er dies. „Aber natürlich war sehr wohl gekränkt – er war gekränkt und wütend“ (Roth 2009, S. 73) Die Eltern Pegeens erkennen zwar ihre Wandlung an und freuen sich über das weibliche Auftreten der Tochter, warnen sie aber vor Axlers Alter und sagen, ihre Beziehung sei „dumm und irregeleitet“ (Roth 2009, ebd.), eine Aussage, die ihn besonders trifft. Das Kapitel Die Verwandlung endet also im Grunde mit dem Titel des Romans Die Demütigung, der erneuten Erniedrigung des Subjekts, dessen Phantasma nun wieder bedroht ist und dessen Frau droht, ihren Status als Sinthom für ihn zu verlieren. Das hat zentral damit zu tun, dass seine Vorstellung, er selbst sei der Pygmalion ähnliche Schöpfer seiner Partnerin als Frau, von deren Eltern zerstört wird, die deren Aufblühen eher ihr selbst als ihm zuschreiben. Dadurch verliert er die Position einer idealisierten Phallizität, die ihn vor dem Suizid schützt. Der letzte Akt beginnt; der letzte Akt ist das letzte Kapitel des Romans.

Es beginnt mit seiner schutzlosen Passivität gegenüber der Aggression der Eltern und Louises, der Ex-Geliebten Pegeens. Er merkt, dass das Ende naht und doch kämpft er nicht. „Aber auch die Angst blieb, die Angst, wieder zurückzukehren zu der Unfähigkeit eines Menschen, der vollkommen am Ende ist. Die Angst, die nächste Louise zu werden, der anklagende, halb wahnsinnige, rachsüchtige Ex. Axlers Strategie blieb aber dieselbe: Tu so, als könntest Du alles tolerieren, was Du hörst; greif nicht die Eltern an, solange Pegeen festbleibt und ihnen standhält ...“ (Roth 2009, S. 86-87) Im Kontrast zu seiner hilflosen Passivität erfährt er aus der Zeitung, dass Sybil zum Akt übergegangen ist, der passage à l'acte des Mordes an ihrem Mann, dem inzestuösen Monster. Er erkennt, dass die Inszenierung eines Mordes auf der Bühne außerhalb der Bühne stattfinden kann, unsymbolisiert und real. Hier ist der Sprung vollzogen, den er bisher nicht gewagt hat: „Ich habe nur noch nie jemanden gekannt, der einen Menschen getötet hat – nicht auf der Bühne, sondern im wirklichen Leben“. (Roth 2009, S. 92)

In der Folge passiert eine weitere Episode, die zum Zusammenbruch der bisherigen Inszenierung führt, indem ein anderes Stück einbricht. Im Vorfeld bietet ihm Pegeen einen „Dreier“ an, zuerst in der Phantasie. Dann aber erfüllt Axler eben diese Phantasie, indem er in einer Bar ein Mädchen aufgabelt, das er zu einem sexuellen Spiel zu dritt ins Zimmer einlädt. Es ist so, als wäre er seiner Freundin willfährig und wolle ihr sexuelles Begehren erfüllen, selbst wenn es zum Zusammenbruch des bisherigen erotischen Arrangements führt. „Ihm dämmerte, dass er im Begriff war, alle Macht an Pegeen abzutreten.“ (Roth 2009, S. 99) Bisher wähnte sich Axler als Herr einer Szene, in der er die Freundin zur heterosexuell begehrenden Frau aufblühen ließ – kraft seiner phallischen Macht, mit der er sie bekleidete, wobei der anale Aspekt des Geldes eine Rolle spielt, wie Roth mehrfach hervorhebt. Nun aber ist er nicht mehr der Zeremonienmeister, nicht er dirigiert die Frauen, sondern er wird zum passiven Beobachter ihrer Lust, mit der er nichts mehr zu tun hat. „Das war kein Softporno. Da waren nicht mehr zwei nackte Frauen, die sich auf einem Bett küssten und liebkosten. Es war jetzt etwas Primitives dabei, eine Art Gewalt zwischen Frauen, als wäre Pegeen in diesem Raum voller Schatten eine magische Mischung aus Schamanin, Akrobatin und wildem Tier.“ (Roth 2009, S. 102) Aus diesem rasenden weiblichen Genießen ist er ausgeschlossen und als Pegeen Tracy, die junge Frau, schließlich an ihn verweist „Zeit den Meister zu wechseln!“ (Roth 2009, ebd.) ist es für ihn zu spät. Denn erst dann, nachrangig, fängt seine Nummer an und der Leser kann sich denken, dass sie nur noch abfallen kann. „Er war nicht mehr der goldene Gott Pan. Ganz im Gegenteil.“ (Roth 2009, S. 104)

Aber nochmals nach diesem ekstatischen weiblichen Genießen, das er selbst nur beobachten, aber für sich nicht fassen kann und das sein Phantasma destabilisiert, versucht Axler der Katastrophe zu entkommen, indem er sich fast delirierend ausmalt, Pegeen wolle nun ein Kind mit ihm.

Dieses phantasierte Kind wird in der Vorstellung der Garant eines dauerhaften Glücks, Beleg für eine „Bewundernswerte Großtat ... , den Wechsel der sexuellen Orientierung“ (Roth 2009, S. 106): „Die Pechsträhne war vorüber. Die selbstauferlegte Qual war vorbei ...“ (Roth 2009, S. 107) Quasi wahnhaft überzeugt vom Wunsch Pegeens nach einem Kind mit ihm sucht Axler eine Spezialklinik für ältere Eltern auf und fragt, ob er mit 65 Jahren noch Vater werden könne, was man ihm bestätigt. Er sieht das als weiteren Wink des Schicksals auf die Vollendung seines Glücks mit Pegeen, wobei die Episode mit Tracy wie weggeblasen scheint. „Überglücklich spürte er, dass seine Kraft und Natürlichkeit zurückkehrten, dass er die Demütigung hinter sich ließ und dass die Zeit, da er sich vor der Welt versteckt hatte, vorbei war. Dies war kein Tagtraum mehr; Simon Axlers Wiederbelebung hatte tatsächlich begonnen.“ (Roth 2009, S. 109) Axler wird jedoch aus dieser manischen Gehobenheit gerissen, als er bei seinem erneuten Zusammentreffen mit Pegeen diese zurückweisend erlebt. Es dämmert ihm, dass noch in seiner größten Vernunft – der Beratung durch den Geburtsspezialisten Dr. Wan – eigentlich ein Wahnsinn steckte, ein Wahnsinn freilich, der ihm vor dem melancholischen Zusammenbruch nach der Begegnung mit Tracy schützen sollte. „Er stellte fest, dass sein Gespräch mit Dr. Wan nicht so sehr dazu gedient hatte, sich zu informieren, um übereilte Entschlüsse zu vermeiden, als vielmehr dazu, sich tiefer und tiefer in Selbsttäuschung und Hirngespinsten zu verlieren.“ (Roth 2009, S. 113) Am Frühstückstisch sagt Pegeen knapp. „Es ist vorbei.“ (Roth 2009, ebd.) Nun zerfällt Axler, versinkt in Tränen, wird nun endlich wütend, schreit, weint, bettelt. Pegeen macht in einer kurzen Bemerkung klar, warum es für sie nicht weiter ging. Nicht, das ist der Punkt, wegen seines Alters, nicht wegen seiner Fehler und Schwächen, sondern weil sie es nicht ertrug, für ihn am Punkt der Frau stehen zu sollen, die absolute Frau für ihn zu sein. Diesen Platz als Sinthom kann sie nicht einnehmen. „Schließlich sagte sie unter Tränen: Ich habe versucht, die vollkommene Frau für Dich zu sein.“ (Roth 2009, S. 114) Aber, wie sie treffend sagt, sie kann „nicht mehr der Ersatz sein dafür sein, dass Du nicht mehr spielen kannst“. (Roth 2009, ebd.) „Es ist vorbei“ ist Axlers Todesurteil. Er steht kurz vor dem Sprung von der Bühne, davor, das Drama seines Niedergangs, seiner Erniedrigung, zu verlassen. Er greift auf seine Reflexionen über Theater und Suizid zurück. Wie könnte er seinen Suizid aufführen? Er versucht Pegeens Vater, Asa, telephonisch zu erreichen, um ihn nun endlich seine Wut, seinen Hass, entgegenzuschleudern. Er wird aber von seiner Frau Carol abgewimmelt. „Wenn er in einem Stück eine Rolle spielen sollte, wie würde er sie dann anlegen? Mit geschliffenem Sarkasmus oder wilder Raserei? Entsagungsvoll oder wütend? Er vermochte die Rolle des älteren, von seiner fünfundzwanzig Jahre jüngeren Geliebten verlassenen Mannes ebenso wenig zu spielen wie die des Macbeth. Hätte er sich nicht lieber das Hirn rausblasen sollen, während Carol noch am anderen Ende der Leitung gewesen war? Wäre das nicht am besten gewesen?“ (Roth 2009, S. 119)

Schließlich ruft Asa zurück und es kommt zu einer Art Duell mit dem Vater, dem Axler vorwirft, ihm die Geliebte genommen zu haben. Asas Über-Ich Position wird zu Axlers Richter. Er denkt nun: „Ach spiel es doch, wie Du willst.“ (Roth 2009, S. 121) Das ist seine letzte Antwort auf das vernichtende Über-Ich, das sich angesichts des Scheiterns des Liebes-Ideals mit Pegeen gegen ihn erhebt. „Er weinte aus Scham, aus Schmerz über seinen Verlust, aus Wut – seine Gefühle waren unentwirrbar miteinander verstrickt und so legte er den Hörer auf und beendete das Gespräch mit Asa, das er nie hätte beginnen sollen“ (Roth 2009, ebd.) Nachdem er das Gespräch mit Asa beendet hat, wird Axler klar, dass es eigentlich nicht die Warnungen des Vaters gegenüber Pegeen wegen seines Alters waren, die zum Fiasko der Beziehung führten, sondern seine eigenen idiotischen Versuche, ihr jeden Wunsch zu erfüllen, zuletzt der Dreier mit Tracy. Der Vorwurf gegen den Vater wird zum Vorwurf gegen sich selbst. Die Richtung der mörderischen Wut oszilliert, es gibt einen Impuls in die Bibliothek und nicht in seinen Kopf zu schießen. Er erinnert sich an Sybil und ihren mörderischen Akt. Aber nun wendet es sich: Axler begreift den tiefen Zusammenhang von Mord und Selbstmord: „Wenn sie das geschafft hatte, schaffe ich das hier auch, wenn sie das geschafft hat ...“ (Roth 2009, S. 124) „Sybil van Buren wurde zum Gradmesser des Mutes.“ (Roth 2009, ebd.) Aber Axler sucht bis zum letzten Zug eine Bühne, von der er abtreten kann und findet sie in Die Möwe von Tschechow, in der sich der verlassene Dichter Konstantin Gawrilowitsch suizidiert. Axler begreift seinen Suizid als letzte große Herausforderung, „das Vorgestellte Wirklichkeit werden zu lassen.“ (Roth 2009, ebd.) Die Möwe war übrigens sein erster großer Erfolg in New York. „Was konnte passender sein? Es würde sein letzter ernsthafter Versuch sein, etwas zu spielen, und als das lächerliche, blamierte, schwache Wesen, das er war, als der dreizehnmonatige Irrtum einer Lesbe, würde er alles mobilisieren müssen, was in ihm steckte, um diese Szene zu spielen“ (Roth 2009, ebd.) Es ist der Genialität von Roth geschuldet, hier verdeutlichen zu können, dass für dieses suizidale Subjekt, Simon Axler, der Tritt auf die Bühne und der Sprung von der Bühne untrennbar verbunden sind und dass das Acting out in der passage à l'acte münden kann, indem er bis zur Grenze des Realen/Unmöglichen inszeniert wird. Nur die Aufführung des Suizids im Sinne einer Realisierung des Imaginären konnte für Axler die Lösung sein, die in der Inszenierung mit Pegeen missglückte.

„Als die Putzfrau wenige Tage später auf dem Speicher seinen Leichnam fand, lag neben ihm ein Zettel, auf dem neun Wörter standen: Die Sache ist die: Konstantin Gawrilowitsch hat sich erschossen.“ (Roth 2009, S. 125) Ich finde, dass das Buch von Roth, eine eindrucksvolle Studie zur Melancholie darstellt. Sie arbeitet wichtige Aspekte ihrer Struktur und Dynamik heraus: die Bedeutung des Scheiterns des idealisierten Spiegelbilds und damit die grundlegend narzisstische Pathologie der Melancholie, die Rolle des verfolgenden Über-Ichs und die zentral wichtige Identifikation des Subjekts mit dem Abfall, dem objet a, dem nicht symbolisierbaren Rest beim Zerbrechen des Spiegelbilds. Last but not least finden sich erhellende Passagen zur Wendung der Aggression gegen das Subjekt selbst in diesem Buch.

Die Darstellung des Oszillierens des Subjekts zwischen Versuchen einer mise en scène, einer Symbolisierung und zugleich Produktion eines Semblants, der vor dem Zusammenbruch retten könnte einerseits und dem ungeheuren Sog zum Tod, dem Sprung von der Bühne andererseits, ist aus meiner Sicht die beeindruckende Besonderheit des Textes von Roth. Ich denke, sie bietet der psychoanalytischen Klinik und Theorie neue Perspektiven. In der Klinik können wir uns fragen, welche Art der Arbeit dazu dienen könnte, das Acting out so zu stützen, dass es als Schutz vor dem Suizid funktionieren könnte. Dazu, könnte man meinen, ist jedoch auch die Analyse der Inszenierung selbst von Bedeutung, denn Axlers Schicksal lehrt, die Bruchstellen seines Rettungsversuchs zu begreifen: sie liegen bei ihm in der megalomanischen Phantasie der unmöglichen Neuschöpfung des Anderen mit all ihren narzisstischen Implikationen, die schlussendlich bei ihrem Scheitern in die todestriebgeleitete Selbstdestruktion führen müssen. Eine gewisse Nähe der theatralen Aufführung zum Sturz von der Bühne scheint aber auch notwendig, solange ihre Bretter halten. Dies betrifft im Kern eine notwendige Verknüpfung von traumatischem Realen (Alter, Tod, non-rapport sexuel), haltendem imaginärem Drehbuch (Phantasma) und der Symbolisierung in der Sprache. Bei Axler gelang eine solche Sinthombildung nicht, da seine Frau für ihn nicht die Frau verkörpern konnte. Das ist noch etwas anderes als das Scheitern einer Idealisierung, es geht um die Unmöglichkeit der Darstellung des Realen, des Anderen Genießens.

Ich bin in meiner Auseinandersetzung mit dem Text von Philip Roth auf den Autor selbst nicht eingegangen, es sei aber am Ende doch noch erwähnt, dass er selbst – skandiert durch Scheitern von Ehe und Liebesbeziehungen, den Tod des Vaters, Konfrontation mit der Shoah – immer wieder in schwere melancholische Krisen geriet, die auch zu Hospitalisierungen führten. In den sechziger Jahren machte er bei Hans Kleinschmidt in New York eine Analyse, die dieser in seinem Beitrag The angry act: The role of aggression in creativity 1967 verarbeitete und veröffentlichte. (Kleinschmidt 1967, S. 98-128) Auch hier spielt die Aggression für die Dynamik der Depression eine große Rolle. Wir haben bei Axler gesehen, wie dieser in seiner Passivität kaum fähig war, seine destruktiven Regungen nach außen zu richten, was für seinen suizidalen Akt eine große Rolle spielt. Roth hat sich nicht getötet und mit seinem Analytiker kann vermutet werden, dass er seinen Hass, nicht zuletzt auf mächtige Frauen, kreativ verarbeiten konnte. Roth bezeugt seine Dankbarkeit gegenüber der eigenen analytischen Erfahrung darin, dass er sagt, dass diese, anders als es zum Beispiel Rilke befürchtete, seine Kreativität und sein intellektuelles Leben immens bereichert habe. (Hage 2003, S. 61) Ich vermute, dass die Analyse Roth das Ende Axlers ersparte, obwohl er sich selbst, wie wir wissen, mit ähnlichen Nöten und Fragen konfrontiert sah, wie sein Protagonist.

 


1 Sinthom ist ein Begriff des späten Lacans. Knapp gesagt meint er die kreative Transformation des Symptoms. Das Sinthom wird zu einem Symptom, das dem Subjekt seine besondere Eigenart verleiht, indem es die ganz eigene Art bezeichnet, Reales (Genießen, Körper, Trieb, Trauma) Symbolisches (Sprache) und Imaginäres (Vorstellung, Phantasma) zu verknüpfen. In der Theorie Lacans löst es den Namen des Vaters als zentralen symbolischen Referenzpunkt des Subjekts ab, dieser wird zu einem Sonderfall dessen, was das Subjekt zusammenhält und leben lässt.

 

Literaturverzeichnis

Kleinschmidt, Hans J. (1967): „The angry act: The role of aggression in creativity”. In: American Imago 24 (1/2), S. 98-128.

Lacan, Jacques (2010): Das Seminar, (1962-1963), Buch X, Die Angst. Übers. v. Hans-Dieter Gondek. Wien: Turia + Kant.

Roth, Philip (2009): Die Demütigung. Hamburg: Rowohlt.

Hage, Volker (2003): Philip Roth. Bücher und Begegnungen. München: Hanser Verlag.

 

Autor:in: Michael Meyer zum Wischen, Dr. med., ist seit 1998 in psychoanalytischen Praxen tätig.